Das Dauerbrenner-Thema könnte die Wahl entscheiden. Dabei stand es bei Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt und ihrem Herausforderer Lars Løkke Rasmussen erst gar nicht oben auf der Tagesordnung. Doch der Wahlkampfendspurt gerät zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Und beide wissen, dass eine harte Linie in der Ausländerpolitik bei den Wählern ankommt.
Nach den Terroranschlägen im Februar hatte sich Thorning-Schmidt souverän als Landesmutter gegeben – und befindet sich im Aufwind. Vor der Wahl präsentierte sie Pläne, wie ihr Land dem Asylbewerbern-Zustrom und der Bedrohung durch Islamisten Herr werden kann. Thorning versprach: «Wir passen auf das Dänemark auf, das Du kennst.» Und: «Wer nach Dänemark kommt, muss arbeiten.»
Starke Aufholjagd
Die Taktik fruchtet. Sah es Anfang 2015 noch so aus, als müsste sie nach vier durchwachsenen Regierungsjahren abdanken, hat sie seitdem eine starke Aufholjagd hingelegt.
«Ihre Chancen standen seit der Wahl 2011 nie besser als jetzt», sagt der Wahlforscher Kasper Møller Hansen. In Umfragen liegt der «rote Block» ihrer Unterstützer dicht an dicht mit dem bürgerlichen «blauen Block», dem auch die rechtspopulistische «Dansk Folkeparti» (DF) zugerechnet wird.
Auf deren Schützenhilfe ist Ex-Ministerpräsident Løkke Rasmussen, Vorsitzender der liberalen Partei «Venstre», angewiesen, wenn er wieder Regierungschef werden will.
Populisten mit neuem Charakter
Die Populisten, die mit Rufen nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen und einem Einwanderungsstopp auf Stimmenfang gehen, stehen vor der besten Wahl ihrer Geschichte. Mit ihrem neuen Chef Kristian Thulesen Dahl haben sie einen Wählermagneten an der Spitze.
«Die DF hat ihren Charakter geändert», sagt Møller Hansen. Bei allzu extremen oder absurden Forderungen von DF-Politikern im Wahlkampf – wie dem Ruf nach einem Verbot von englischen Wörtern in der Werbung – macht Thulesen eilig klar, das sei nicht Parteilinie.
Stattdessen konzentriert er sich stärker auf soziale Fragen. «Darin steht die Partei noch links von der Sozialdemokratie, fordert einen grösseren öffentlichen Sektor», erklärt Møller Hansen.
Die Zukunft ihres Wohlfahrtsstaates beschäftigt die Dänen noch mehr als die Ausländerfrage. Die Mischung kommt bei den Wählern an: 17,3 Prozent wollen die Populisten nach jüngsten Umfragen am Donnerstag wählen.
Liberale geben sich populistisch
Populistische Töne in der Asyl-Debatte schlagen dagegen im Wahlkampfendspurt vor allem die Liberalen an. In seiner Verzweiflung um sinkende Zustimmung verspricht Løkke eine Asylreform: Seine Partei werde «nicht tatenlos zusehen, wie die Asylbewerberzahl explodiert». Für ihn ist klar: Die Regierung trägt die Schuld am Flüchtlingsstrom.
Gegenüber seiner Konkurrentin hat Løkke einen entscheidenden Nachteil: sein Image. Viele erinnern sich an seine Spesenaffären. Nicht gerade schmeichelhaft für den Venstre-Chef. Auf der Liste der beliebtesten Politiker rangiert der Liberale ganz weit unten.
Amüsieren auf Kosten der Steuerzahler
Schon als Bürgermeister soll sich der dreifache Familienvater auf Kosten der Steuerzahler in der Disko amüsiert, als Minister Rechnungen für Zigaretten und «Arbeitsessen» mit seiner Frau eingereicht haben. Doch als Parteivorsitzender hält sich «LLR» hartnäckig.
Thorning-Schmidt hat wohl die besten Chancen, mit ihrer Minderheitenkoalition aus Sozialdemokraten und den Sozialliberalen («Radikale Venstre») auf Christiansborg – dem Parlamentssitz mit dem Spitznamen «Borgen» – weiterzuregieren.
Zu Hilfe kommt ihr dabei eine neue Partei, mit der vor ein paar Wochen noch niemand ernsthaft gerechnet hatte: «Die Alternative» mit dem früheren Kulturminister Uffe Elbæk an der Spitze schafft es mit ihren Forderungen nach einem «grünen Wandel» laut Umfragen locker ins Parlament – und könnte der Sozialdemokratin so die nötige Unterstützer-Mehrheit sichern.