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Zwei junge männliche Flüchtling warten, zu sehen ist auch das Schild des Deutschen Bundesamtes für Migration
Legende: Flüchtlinge warten vor dem Deutschen Bundesamt für Migration in Berlin-Spandau. Reuters

International «Wer herkommen will, findet einen Weg»

Deutschland erwartet bis zum Ende des Jahres insgesamt 750'000 Asylanträge. Doppelt so viele, wie bisher angenommen. Wie Bevölkerung und Politik mit der Ausnahmesituation umgehen, erklärt FAZ-Redakteur Jasper von Altenbockum.

SRF News: 750'000 Flüchtlinge innert eines Jahres – ist das für Deutschland viel oder wenig?

Jasper von Altenbockum: Mit einem solchen Ansturm von Flüchtlingen und Migranten hat Deutschland noch nie zu tun gehabt, mal abgesehen von der Nachkriegszeit, als es die grossen Flüchtlingswellen nach Deutschland gab. Es sind schon recht viele. Im Moment ist die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung noch sehr gross. Die grosse Frage ist aber, wie lange dies so bleibt. Da muss man ein bisschen Angst davor haben, dass der Moment kommt, wo diese Bereitschaft schwindet.

Jasper von Altenbockum

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Jasper von Altenbockum ist verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Städte und die Gemeinden scheinen zum Teil bereits jetzt überfordert. Zum Beispiel bei der Unterbringung der Flüchtlinge.

Das ist so. Das grosse Problem ist, dass es die Bundesländer bislang nicht geschafft haben, die Erstaufnahme der Flüchtlinge so zu regeln, dass ein geordnetes Asylverfahren möglich ist.

Auch die deutsche Politik ringt noch um taugliche Lösungen. Innenminister Thomas De Maizière will nun die Leistungen für Asylsuchende kürzen.

Ich halte diese Idee gar nicht für so schlecht. Weil es diejenigen von einer Einreise nach Deutschland abhalten würde, die ohnehin keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben. Menschen, die nicht vor Krieg oder politischer Verfolgung fliehen, sondern einfach in Deutschland Arbeit suchen. Zuletzt kamen 40 Prozent der Asylanträge von solchen Immigranten.

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Die Immigranten aus Albanien, dem Kosovo oder Mazedonien wissen, dass 99.99 Prozent ihrer Anträge abgelehnt werden. Dennoch kommen sie, weil sie wissen, dass sie hier bis zur Prüfung ihrers Antrags besser versorgt werden, als in ihrer Heimat. Dazu trägt dieses Taschengeld bei. Warum also soll man sie damit herlocken?

Gibt es aus Ihrer Sicht weitere erfolgsversprechende Ansätze, wie Deutschland künftig mit dem Flüchtlingsstrom umgehen kann?

Die einfache Lösung für das Problem wird es nicht geben. Aber es gibt zwei Sachen, die man in Angriff nehmen müsste. Einerseits müssen wir die Asylverfahren zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf die hohe Zahl der Flüchtlinge abstimmen. Und dann gibt es die europäische Ebene. Es kann einfach nicht sein, dass zwei, drei Länder in der EU diese grosse Last tragen, und alle anderen machen sich einen schlanken Fuss.

Es kann einfach nicht sein, dass zwei, drei Länder in der EU diese grosse Last tragen, und alle anderen machen sich einen schlanken Fuss.

Wenn sich dies ändert, besteht die Chance, kurzfristig einen grossen Teil des Problems in den Griff zu bekommen. Langfristig müssen wir aber wohl aber auch umdenken. Was ist denn, wenn der Flüchtlingsstrom auch im kommenden Jahr nicht abnimmt? Man kann nicht einfach einen Zaun um die ganze EU ziehen und niemanden mehr reinlassen. Wer herkommen will, der findet einen Weg. Darauf muss man sich einstellen.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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