Andrej Smolenski, ein adrett gekleideter Endzwanziger und so etwas wie Transnistriens oberster PR-Manager, steht im Pobeda-Park von Tiraspol und versucht, seine Heimat zu erklären. Einen besseren Ort als den Park gibt es dafür nicht. «Der Park ist zur Erholung und für Kulturveranstaltungen gedacht», erzählt Smolenski. «Er wurde 1947 angelegt, zu Ehren des Sowjetvolkes und in Erinnerung an den Sieg im Zweiten Weltkrieg».
Transnistriens Hauptstadt Tiraspol erscheint mit ihrer Architektur wie ein steingewordenes Sowjetmuseum rund um den Pobeda-Park. Jetzt, in der Frühlingssonne, wirken die Sowjetdenkmäler besonders ehrfurchtsvoll.
Die leicht rostig schimmernde Statue von Gregory Cotovski ist dem Tourismusmanager und Patrioten Smolenkski dabei besonders wichtig. «Cotovsky hat in den 1920er Jahren hier gekämpft und in Transnistrien die Sowjetmacht errichtet. Damals waren wir eine autonome sozialistische Republik. Bis 1940.»
Stalin hatte die Region zwischen der Republik Moldau (Moldawien) und der Ukraine seinerzeit annektiert. Kurz nach der politischen Wende hat sich der 200 Kilometer lange und teilweise nur zwei Kilometer breite Landstreifen 1991 von der damals neu gegründeten Republik Moldau abgespalten. 1992 kam es zum blutigen, vier Monate dauernden Sezessionskrieg. Seitdem schweigen die Waffen, doch sonst herrscht Eiszeit zwischen Moldau und Transnistrien. Noch heute sichern 1500 russische Soldaten den Status quo.
Nicht nur Putins Truppen sorgen für pro-russische Stimmung
Doch nicht nur die Truppen allein sorgen in Transnistrien für eine pro-russische Stimmung. Denn überlebensfähig ist das autonome Gebiet nur durch Putins wirtschaftliche und vor allem finanzielle Hilfe.
Tourismusmanager Andrej Smolenski verschweigt das nicht. «Russland ist für Transnistrien eine grosse Hilfe», erzählt er. «Unsere Rentner zum Beispiel bekommen 150 bis 200 Dollar im Monat und Russland legt noch einmal 15 Dollar obendrauf. Für einen Europäer ist das nicht viel. Aber wir zahlen hier nur einen Dollar für Gas und fünf bis sieben Dollar für Strom pro Monat, Rentner sogar nur die Hälfte. Deswegen sind 15 Dollar eine bedeutende Summe.»
Smolenski wiederholt die Argumente, die er aus dem russischen Staatsfernsehen kennt. Im Schatten der Krim-Krise hofft deswegen nicht nur er auf den lang ersehnten Anschluss an Russland. Denn bisher wird die autonome Region von keinem anderen Land der Welt diplomatisch anerkannt. Schon fordern Duma-Abgeordnete in Moskau die schnelle Eingliederung Transnistriens in die russische Föderation. In Tiraspol wurden die russischen Truppen in Alarmbereitschaft versetzt.
In der moldauischen Hauptstadt Chişinău, kaum 60 Kilometer entfernt von Transnistrien, ist in vielen Gesichtern deutlich Angst zu lesen. In seinem Büro in einer politischen Denkfabrik zeichnet der Transnistrien-Experte Oazu Nantoi ein düsteres Bild:
«Es geht nicht um Transnistrien, sondern um die Republik Moldau», sagt Nantoi. «Der Landstreifen zwischen Moldau und der Ukraine hat doch keinerlei Wert für Russland. Der ist nur ein Druckmittel, um Moldau zu erpressen und das Assoziierungsabkommen mit der EU zu verhindern. Ähnlich ist Putin in der Ukraine vorgegangen, um das EU-Abkommen zu verhindern.»
Die EU könnte helfen
Deswegen teilt Nantoi auch die Ansicht von US-Politikern. Die warnten unlängst vor einer russischen Invasion in der Republik Moldau. So ein Szenario könne nur durch internationale Hilfe und die EU noch verhindert werden, fürchtet Nantoi. «Mit dem Assoziierungsabkommen wäre die moldauische Staatsbürgerschaft für Transnistrier viel attraktiver», sagt der Experte. «Das würde die Regierung in Tiraspol wohl zusammenbrechen lassen Die politische Einheit von Brüssel–Kiew-Chişinău würde dieses Regime friedlich beseitigen.»
Für beide Seiten, Transnistrien und die Republik Moldau, geht es beim Konflikt zwischen der EU und Russland um nichts weniger als das eigene Überleben. Die Propaganda und Gegenpropaganda läuft entsprechend schon auf Hochtouren. Ob aus dem lauten Säbelrasseln ein neuer Bürgerkrieg entsteht, wird letztlich in Brüssel und Moskau entschieden.
(krua; kurn)