In den 1950er Jahren entdecken Forscher spezialisierte Zellbestandteile, in denen defektes, überflüssiges und von aussen aufgenommenes Material verdaut, recycelt und entsorgt wird. Der belgische Wissenschaftler Christian de Duve tauft sie «Lysosomen». 1974 wird er mit zwei anderen Forschern für diese Entdeckung mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Im Folgejahrzehnt zeigen neue Beobachtungen, dass die Lysosomen manchmal auch komplexere Zellstrukturen bis hin zu ganzen Zellorganellen enthalten. Es muss also einen Prozess geben, der auch grössere Ladungen Material zum Lysosom transportiert. De Duvet prägt dafür den Begriff «Autophagie» (von griechisch autos «selbst» und phagein «fressen») respektive Autophagozytose (cytos «Zelle»).
Klärung in den 90er-Jahren
Wie diese Prozesse gesteuert werden und welche Bedeutung sie für den Organismus von Säugetieren haben, blieb vorerst ungeklärt, bis Yoshinori Ohsumi in den 90er-Jahren eine Reihe bahnbrechender Experimente durchführte.
1993 konnte er 15 Gene nachweisen, die massgeblich an autophagen Prozessen in Hefezellen beteiligt sind. In diversen Folgearbeiten gelang es ihm, verschiedene dieser Gene in Hefe- und Säugetierzellen zu klonen und ihre Funktion genauer zu beleuchten.
Ohsumis Arbeit zeigte, dass die Autophagie weit mehr als ein blosser Abfallentsorgungsprozess ist. Sie steuert die Verdauung und Wiederverwertung von Zellbestandteilen während Hungerperioden und spielt eine wichtige Rolle in zahlreichen Prozessen, bei denen Zellbestandteile entfernt werden müssen, um Platz für neue zu schaffen. Ersteres sorgt dafür, dass unsere Zellen zwischen zwei Nahrungsaufnahmen nicht zugrunde gehen, letzteres ist beispielsweise eine essenzielle Voraussetzung für embryonales Wachstum und die Entwicklung spezialisierter Zellen.
Hoffnungsträger für die Medizin
Autophagie ist darüber hinaus ein Schlüsselprozess für die Beseitigung von eingedrungenen Mikroorganismen und in der Zelle angesammelten Giftstoffen – spielt also eine wichtige Rolle bei Infektionen, im Alterungsprozess und bei der Entstehung zahlreicher menschlicher Erkrankungen.
Dank Oshumis Arbeit ist klar, dass die Autophagie ein grundlegender Prozess ist, der ständig abläuft und wesentlich für das zelluläre Gleichgewicht sorgt. Störungen dieses Prozesses stehen in Verbindung mit verschiedenen Krankheiten beim Menschen, etwa Parkinson oder Typ-2-Diabetes. Mutationen in Autophagie-Genen spielen ausserdem bei Krebs eine Rolle. Der Autophagie-Prozess ist deshalb ein vielversprechender Ansatzpunkt für neue Medikamente gegen die grossen Krankheiten unserer Zeit.