Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. So lässt sich das Credo von Robert «Bob» Kahns Eröffnungsrede an der Ipres in Bern zusammenfassen. An der internationalen Konferenz, die zum ersten Mal in der Schweiz stattfindet, treffen sich Fachleute aus aller Welt, um über die Langzeitarchivierung digitaler Daten zu diskutieren. Also darüber, wie wir die digitalen Informationen von heute für die Zukunft sichern können.
Das ist keine leichte Aufgabe. Denn weder wissen wir, wie wir mit den Daten von Heute in Zukunft umgehen, noch wie die Daten der Zukunft beschaffen sein werden. Ein Buch zum Beispiel, sagt Bob Kahn, müsse nicht immer so aussehen wie heute. «Vielleicht ist es in Zukunft nur noch eine Art Behälter, in den wir Text, Bilder, Videos und Musik einfüllen.»
Und ebenso könnten unsere Nachfahren nicht mehr wissen, wie sie mit den Daten von heute umgehen sollen. Weil ihnen die Geräte fehlen, diese Daten richtig zu interpretieren. Deshalb sei es wichtig, sich jetzt Lösungen zu überlegen, wie wir unsere Daten auch in Zukunft noch lesen können – und zwar unabhängig davon, welche Geräte dabei zum Einsatz kommen.
Eine revolutionäre Idee
Damit hat Bob Kahn Erfahrung. Denn mit dem Grundsatz, dass es für alle Geräte funktionieren muss, hat er auch das Internet gebaut: Als er und sein Kollege Vint Cerf in den frühen 1970er Jahren die Grundlagen für das Internet gelegt hätten, so Kahn, da hätten sie nur die Infrastruktur gebaut. «Aber wir haben keine Vorgaben gemacht, welche Netzwerke, Computer oder Programme an das Netz angeschlossen werden können und welche nicht.»
Wir wollten bloss zeigen, dass unsere Ideen auch in der Praxis funktionieren.
Eine solche sogenannte offene Architektur wird auch für die Erhaltung unserer Daten nötig sein. Denn wir können nicht vorausahnen, welche Computer es in Zukunft geben wird und wie sie funktionieren werden. Es ist deshalb wichtig, den Daten die nötigen Informationen mitzugeben, damit auch die Maschinen der Zukunft sie noch lesen können.
So wie es eben auch beim Internet egal ist, welche Maschinen daran angeschlossen sind. Bob Kahn und Vint Cerf haben das dank dem Transmission Control Protocol und dem Internet Protocol – kurz: TCP/IP – möglich gemacht. Das war eine revolutionäre Idee, denn von da an konnten Computer und Maschinen aller Art zusammengeschlossen werden und untereinander Daten austauschen. Egal wie sie konfiguriert waren. TCP/IP regelten nun für sie den Datenverkehr. Das Internet, wie wir es heute kennen, wäre ohne diesen Grundsatz nicht möglich.
Die Konsequenzen waren niemandem klar
Man merkt dem 77jährigen Kahn den heimlichen Stolz an, wenn er mit listig blitzenden Augen über den damaligen Durchbruch spricht. Dabei seien ihm und Vint Cerf die weltverändernden Konsequenzen ihrer Erfindung gar nicht bewusst gewesen. Sie hätten kein weltumspannendes Kommunikationsnetz bauen wollen und auch nicht die Einführung eines neuen Mediums im Sinn gehabt. Es sei ihnen in erster Linie um die technische Herausforderung gegangen. «Wir wollten bloss zeigen, wie so ein Netzwerk funktioniert und wie die Maschinen darin miteinander reden können», stellt er ganz pragmatisch fest.
Gibt es denn im Nachhinein etwas, das er damals anders gemacht hätte, wären ihm die Konsequenzen seiner Erfindung bewusst gewesen? «Die Sicherheit», antwortet Bob Kahn ohne zu zögern. Hätten sie geahnt, wie wichtig das Internet einmal werde, hätten er und Vint Cerf sich stärker darum bemüht, die Computer am Netz besser zu schützen.
Aber, so betont er vehement, es sei nicht wahr, dass sie sich keine Gedanken über die Sicherheit gemacht hätten. «Doch auf uns allein gestellt konnten wir nicht viel ausrichten. Uns fehlte die Zusammenarbeit mit Forschern, die sich in diesem Gebiet besser auskannten als wir.» Und auch von diesen anderen Forschern habe Anfang der 1970er Jahre keiner geahnt, welche Bedeutung das Internet einmal haben werde. Deshalb hätten sie lieber an eigenen Projekten gearbeitet.
Kein Geld, aber Preise
Reich geworden ist Bob Kahn mit seiner Erfindung übrigens nicht. Es gibt keine Patente auf TPC und IP. Doch gerade dieser Umstand – dass es alle gratis benutzen dürfen – hat den Siegeszug des Internets wohl erst möglich gemacht.
Immerhin: Kahn wurde für seine Leistungen vielfach geehrt und mit Preisen ausgezeichnet. Er hat mehrere Ehrendoktortitel erhalten, unter anderem auch von der ETH Zürich. Und als einer der Väter des Internets kann er sich damit rühmen, dass sein Kind die Welt verändert hat. Da wäre wohl manch ein Vater stolz darauf.