Wohin mit dem radioaktiven Abfall?
Von ursprünglich sechs möglichen Standorten für ein Tiefenlager sollen nun nur noch deren zwei weiterverfolgt werden. Diese starke Einengung der Standortauswahl kommt für die Aargauer Regierung zu früh, da die Kantone noch gar nicht offiziell Stellung nehmen konnten: «Die behördliche Überprüufng der Nagra-Vorschläge und die öffentliche Anhörung stehen noch aus», heisst es in einer Mitteilung der Regierung.
Grosse Sorgen bereitet der Regierung der Oberflächenstandort, falls das Tiefenlager letztendlich in der Region Jura Ost gebaut werden sollte. «Der Regierungsrat hat gegenüber einem möglichen Standort Villigen für Oberflächenanlagen grosse Vorbehalte.»
Villigen: Hightechstandort - nicht Abfallstandort
Die Bedenken der Aargauer Regierung beziehen sich auf das Paul Scherrer Institut PSI, welches ebenfalls in Villigen angesiedelt ist. Das PSI sei ein wichtiges Forschungszentrum für die ganze Schweiz und es dürfe «unter keinen Umständen beeinträchtigt werden».
Die Priorität am Standort Villigen sei die Weiterentwicklung und Ansiedlung von Forschungs- und Hightech-Institutionen.
Oberste Priorität beim Standortentscheid muss die höchstmögliche Sicherheit für Menschen und Umwelt haben
Die Aargauer Regierung fordert ein faires und glaubwürdiges Standortverfahren. Massgebend bei der Auswahl solle die Sicherheit sein. Man wolle alles daran setzen, «dass keine Standorte aus politischen Gründen zurückgestellt werden». Auf der anderen Seite hält Regierungsrat Stephan Attiger auch fest: «Der Aargau trägt bereits heute grosse Lasten im Verkehrs- und Energiebereicht.»
Weitere Reaktionen zum Vorschlag der Nagra
Bereits am Freitag haben sich viele Parteien und Verbände zum Vorschlag der Nagra geäussert:
- Energieforum Nordwestschweiz: Das Energieforum Nordwestschweiz begrüsst die Auswahl der beiden Gebiete Zürich Nordost und Jura Ost. Für diese Auswahl habe die Nagra «ausschliesslich technisch-wissenschaftliche Kriterien» herangezogen.
- Grüne Aargau: Die Grünen Aargau fordern den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Es sei bereits heute absehbar, «dass der Bundesrat sich am Ende des Prozesses für den atomfreundlichen Kanton Aargau als Standort für ein Tiefenlager entscheiden wird».
- KAAZ (Kein Atommüll im Ballungsgebiet Aarau-Lenzburg-Zofingen): KAAZ begrüsst den Verzicht auf den Standort Jura Südfuss. Die Argumente gegen diesen Standort seien «erdrückend». Allerdings erhöhe sich mit diesem Entscheid auch der Druck auf den Standort Bözberg (Jura Ost).
- KAIB (Kein Atommüll im Bözberg): Der Bözberg berge geologische Risiken und sei daher für ein Atomendlager nicht geeignet, so KAIB. Der Standortvorschlag der Nagra sei übereilt. Zudem führe das Endlager zu erheblichen Konflikten beim Natur- und Umweltschutz.
- SP Aargau: Die SP wirft der Aargauer Regierung vor, sie habe es in der Vergangenheit versäumt, sich klar gegen ein Atomendlager im Kanton einzusetzen. Daher sei es nicht verwunderlich, dass es sich die Nagra einfach mache «und sich als Lösung den atomfreundlichsten Kanton des Landes» aussuche.
- FDP Aargau: Die FDP ist überrascht, dass bereits jetzt eine Reduktion auf zwei Standorte gemacht wird. Sie ist aber überzeugt, «dass die Nagra ihre Arbeit prinzipiell gut macht». Der Vorschlag der Nagra sei ein Meilenstein in der Entsorgung radioaktiver Abfälle. Die Entsorgung von radioaktivem Abfall könne nicht an die nächste Generation übertragen werden.
Der Entscheid der Nagra wird nun dem Bund zur Überprüfung vorgelegt. Zudem können die Standortkantone Stellung nehmen. 2016 soll es eine öffentliche Anhörung geben.
Voraussichtlich Mitte 2017 wird der Bundesrat entscheiden, ob er den von der Nagra vorgeschlagenen Gebieten zustimmt. Ein definitiver Standortentscheid soll 2027 fallen. Das letzte Wort hat das Volk.