Insekten und Maden essen war gestern. Heute kommt Erde auf den Teller. Experimentalkoch Rolf Caviezel pröbelt seit über einem halben Jahr am Rohstoff aus dem Boden herum. Am Anfang machte ihm das Bauchweh, im wahrsten Sinn des Wortes. Er habe zuerst einfach mal Blumenerde gegessen, und das dann einige Tage lang auf dem WC bereut, lacht der 42-Jährige.
Mittlerweile hat Caviezel den Dreh raus, wie er Erde geniessbar machen kann. Zur Vorspeise serviert er Erdsuppe mit Erdchips, als Hauptgang Kartoffeln mit Erdschwamm an Erdgelee, und zum Dessert Erd-Tiramisu.
Der Knirsch-Effekt
Am vergangenen Wochenende hat der Grenchner seine Kreationen am grössten Food-Symposium Österreichs vorgestellt, an den «Chef-Days» in Graz, und hatte Erfolg damit, wie er Radio SRF erzählt:
Wir dachten ja ursprünglich, Erde kann man gar nicht servieren, weil sie beim Essen so knirscht. Die Leute sind jetzt aber völlig darauf abgefahren, die haben diesen Effekt des Krosens gesucht.
In der Schweiz darf Caviezel seine neusten Kreationen nicht auftischen. Erde ist hierzulande nicht als Lebensmittel zugelassen. Caviezel bedauert das. Gleichzeitig warnt er aber auch davor, jetzt einfach im Garten ein bisschen Erde auszugraben und zu essen. Das könne gefährlich sein.
Schweizer Erde als Exportschlager?
Der Starkoch bezieht seine Erde nur aus kontrollierten Feldern und lässt sie von Wissenschaftlern der Uni Graz untersuchen. Wo diese Felder liegen, will Rolf Caviezel nicht verraten. Nur soviel: Ein Feld liege in Grenchen, die Erde daraus schmecke stark nach Champignons.
Was in der Schweiz verboten ist, könnte in Österreich zum Renner werden. Schweizer Erde sei gefragt, schmunzelt Rolf Caviezel. «Wir haben momentan 20 Köche in Österreich, die sich auf eine Warteliste setzen liessen, weil sie gerne kontrollierte Erde beziehen möchten. Und eine österreichische Barkeeperin in Stockholm wird bald einen Drink mit Grenchner Erde kreieren.»
Hartes Pflaster Grenchen
Seit bald fünf Jahren betreibt Rolf Caviezel das Restaurant «Station 1» in Grenchen. Kann denn ein Experimentalkoch in einer Kleinstadt Erfolg haben? Caviezel lacht: «Man sagt ja, wenn man in Grenchen geschäften kann, kann man überall geschäften.»
Er ist stolz, dass er einerseits regionale Kundschaft hat. Über Mittag bietet Caviezel ganz «normale» Menues für die Angestellten der umliegenden Firmen. «Andererseits haben wir extrem viele Kunden aus der ganzen Schweiz, jetzt auch aus Deutschland und Österreich, die am Abend unsere Spezial-Diners geniessen».