Seit etwa drei Monaten muss Hanspeter Thür weniger Medienanfragen beantworten. Er hat sein Amt als eidgenössischen Datenschutzbeauftragten abgegeben. Das Thema aber lässt ihn nach fast 15 Jahren Tätigkeit nicht so schnell wieder los, wie er im Gespräch mit Radio SRF sagt.
Hanspeter Thür nutzt seine Kreditkarte nur im Notfall. Er hat seine Email-Adresse nicht bei einem multinationalen Konzern hinterlegt, sondern bei einem Schweizer Anbieter. Und: Thür verzichtet konsequent auf persönliche Profile bei sozialen Netzwerken. «Dieses Geplauder interessiert mich nicht. Mit meinen Freunden verkehre ich auf anderem Weg.»
Digitalisierung und Big Data präg(t)en ihn
2001 wurde der ehemalige Nationalrat (1987-1999) und Parteipräsident der Grünen (1995-1997) zum Datenschützer gewählt. «Damals gab es noch keine sozialen Netzwerke und Google war ein kleines Unternehmen», erinnert er sich. Inzwischen ist die Digitalisierung in alle Lebensbereiche vorgedrungen und Firmen können Unmengen von Daten sammeln und auswerten.
Gegen diese «Datenkraken» hat sich Hanspeter Thür immer wieder gewehrt. So zog er den Weltkonzern Google bis vor Bundesgericht. Er setzte durch, dass im Kartendienst Street View sensible Bildaufnahmen verpixelt werden mussten.
Verständnis für Veltheims Kampf
Genau dies fordert aktuell auch die Aargauer Gemeinde Veltheim. Der Gemeinderat möchte, dass Google auf Street View alle Häuser im Dorf verpixelt. Die Begründung: Einbrecher könnten sich virtuell auf ihre Einbruchstouren vorbereiten und Objekte auskundschaften.
Hanspeter Thür hält diese Angst für durchaus begründet: «Jede Information, die verfügbar ist, wird auch in einem kriminellen Kontext genutzt. Alles andere zu behaupten wäre naiv.» Allerdings zweifelt Thür am Erfolg des Kampfes von Veltheim.
Die Gemeinde selber sei wohl die falsche Instanz, um bei Google zu intervenieren. «Es kann ja einzelne Hausbesitzer geben, die ihr Haus bei Street View zeigen wollen.» Er sei gespannt auf den Ausgang dieser Diskussion, so Thür im «Regionaljournal Aargau Solothurn» von Radio SRF.
Einsatz von Staatstrojanern im Aargau
Als «heikel» bezeichnet der ehemalige Datenschützer den Einsatz von «Staatstrojanern». Das sind Technologien, die das Ausspähen von fremden Computern ermöglichen. Auch die Aargauer Kantonspolizei möchte in Zukunft solche Trojaner einsetzen, wie die Regierung kürzlich bekannt gab.
Thür hat Verständnis für das Anliegen der Behörden. «Mit der Internet-Telefonie sind die bisher üblichen Überwachungsmethoden nicht mehr wirksam», erklärt er den Nutzen der Staatstrojaner. Inzwischen habe der Bund auch eine gesetzliche Regelung für diesen Einsatz geschaffen, an der Thür massgeblich mitwirken konnte. So dürfen nur bestimmte Informationen gesammelt werden, Manipulationen an fremden Computern bleiben verboten.
«Missbräuche sind immer möglich, auch mit den besten Gesetzen.» Allerdings könne man diese durch die neuen gesetzlichen Grundlagen besser aufdecken, so Thür. In den Strafakten für einen Gerichtsprozess sei ja festgehalten, auf welche Art die Ermittlungsbehörden zu ihren Resultaten gekommen sei. Im Nachhinein könne man damit sehr wohl prüfen, ob sich die Behörden an die gesetzlichen Vorgaben gehalten haben. «Man kann den Missbrauch also zumindest im Nachhinein entdecken.»
Neue Aufgabe in Aarau
Thür selber befasst sich inzwischen nur noch privat mit Datenschutz. Der pensionierte Jurist arbeitet aber weiter: Er wurde von der Stadt Aarau als Koordinator eingesetzt für die Planung der «Alten Reithalle». In dieser Halle sollen künftig Theater, Tanz und Musik einen grosszügigen Platz finden.
Hanspeter Thür muss die Bedürfnisse der Kulturschaffenden nun sammeln und ein Vorprojekt erarbeiten. Er liefert damit quasi die Grundlage für ein mögliches Bauprojekt. Es geht um viel Geld (rund 20 Millionen), um ein wichtiges Gebäude mitten in der Stadt und um viele Ansprüche von verschiedensten Kultursparten. «Die eierlegende Wollmilchsau werden wir wohl nicht finden», gibt sich Thür vorsichtig.
Er sei aber überzeugt davon, dass alle Kulturschaffenden verstehen, dass eine so grosse Halle nur dann möglich sei, wenn man sie auch gemeinsam nutze. Hanspeter Thür hat noch bis Ende 2016 Zeit, das Vorprojekt für die «Alte Reithalle» abzuschliessen. Langweilig wird dem ehemaligen Datenschützer also auch ohne sein Datenschutz-Mandat sicher nicht.