Die finanzpolitische Patientenakte von Wohlen ist dick, die Krankheitsgeschichte lang.
Das Wichtigste in Kurzform:
- Im Oktober 2015 weist der Einwohnerrat das Budget 2016 an den Gemeinderat zurück. Der Auftrag: 1,2 Millionen Franken müssen gespart werden.
- Der Gemeinderat legt ein neues Budget vor - das Sparziel hat er allerdings nicht erreicht
- Trotzdem genehmigt der Einwohnerrat nun im zweiten Anlauf das Budget 2016 - um real 650'000 Franken verbessert
- Das politische Klima in Wohlen hat sich offensichtlich gewandelt: Die Budget-Debatte Nummer 2 verläuft ohne die bisher üblichen Gehässigkeiten
Die ganze Geschichte:
Der «Patient Wohlen» scheint auf dem Weg der Besserung. Die erste Version des Budgets 2016 fiel im letzten Jahr bei der bürgerlichen Mehrheit im Parlament noch durch. Nun hat dasselbe Parlament (mit einigen neuen Köpfen) eine leicht verbesserte Version deutlich angenommen. Wohlen hat ein Budget – der Entscheid fiel mit 29 zu 7 Stimmen im Einwohnerrat sehr deutlich.
Dabei sind die finanzpolitischen Symptome überhaupt nicht geheilt. Auch im neuen Budget erreicht man die schwarzen Zahlen nur dank einem – legalen – buchhalterischen Trick. Die sogenannte Aufwertungsreserve wird genutzt. Die Sparvorgaben der Finanzkommission konnte der Gemeinderat ebenfalls nicht erfüllen: Statt 1,2 Millionen Franken hat er «nur» 840'000 Franken gespart im Vergleich zur ersten Budget-Version.
Dabei hatte sich der Gemeinderat auch nicht nur auf klassische «Spar-Übungen» konzentriert. Neben einer Nullrunde beim Gemeindepersonal (von linker Seite kritisiert) hob er auch das Bussen-Budget der Regionalpolizei an (von rechter Seite kritisiert).
Zusätzliche Sparvorschläge aus dem Rat
Trotzdem: Die überwältigende Mehrheit im Einwohnerrat stimmte dem Budget zu. Sogar die Hälfte der SVP-Fraktion. Zum Beispiel Urs Stäger: «In Anbetracht der speziellen Situation, die Wohlen im Moment hat, bringt es nichts, wenn wir das Budget ablehnen. Wir wollen konstruktiv mitarbeiten und die Gemeinde wieder auf einen grünen Zweig bringen», sagt der SVP-Einwohnerrat gegenüber Radio SRF.
Die SVP präsentierte dann doch noch einige zusätzliche Spar-Anträge: Eine Mehrheit im Rat entschied sich zum Beispiel für den Austritt aus dem Label «Energiestadt» und befürwortete eine höhere Dividende der Industriellen Betriebe. Wie erwartet chancenlos blieb hingegen die Forderung nach einer Steuersenkung.
Die zusätzlichen Bemühungen werden sowieso durch den «Fall Dubler» zunichte gemacht. Durch die Suspendierung des Gemeindeammanns machen die restlichen Gemeinderäte im Moment Überstunden – gut 150'000 Franken musste der Einwohnerrat dafür genehmigen. Das entspricht in etwa dem zusätzlich generierten Sparbeitrag in der Sitzung (vgl. Tabelle).
Was dem Beobachter allerdings ins Auge stach an der Einwohnerratssitzung am Montagabend: Die ganze Budget-Debatte verlief praktisch ohne die in Wohlen bereits zur Gewohnheit gewordenen Gehässigkeiten. SVP-Opposition und Gemeinderat scheinen sich besser zu verstehen als auch schon, so der Eindruck.
Der politische Heilungsprozess läuft
«Diesen Eindruck kann ich bestätigen», sagt auch SVP-Mann Stäger. Die Ursache für den politischen Klimawandel scheint klar: Der streitbare Gemeindeammann Walter Dubler, aber auch der streitbare SVP-Wortführer Jean-Pierre Gallati fehlen im Parlamentssaal. Dubler ist suspendiert, Gallati aus dem Rat ausgetreten.
Finanziell ist der «Patient Wohlen» also sicher noch nicht über den Berg. Auch nicht mit dem neuen Budget 2016. Der Gemeinderat will sich denn auch (auf Antrag der Finanzkommission) mit einer speziellen Arbeitsgruppe um die langfristige finanzielle Gesundung der Gemeinde bemühen. Politisch aber scheint die Gemeinde bereits auf dem Weg zur Besserung. Und wer weiss: Vielleicht kann sich eine politisch gesunde Gemeinde ja auch finanziell besser erholen.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 06:32 Uhr)