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Eine Spritze kurz vor dem Einstich
Legende: Der selbsternannte «Heiler» soll mindestens 16 Personen angesteckt haben. Keystone

Bern Freiburg Wallis Mutmassliche Opfer belasten den «Heiler» von Bern

Der Berner «Heiler»-Prozess hat am Mittwoch mit der Einvernahme mutmasslicher Opfer begonnen. Eine ehemalige Patientin hat den Angeklagten als «sehr machtsüchtig, besitzergreifend, einschüchternd und aggressiv» bezeichnet. Und alle Opfer rätseln über das Motiv.

Mit der Befragung der Opfer, die im Prozess auch Zivilklägerinnen und -Kläger sind, will das Gericht ergründen, ob und warum der «Heiler» 16 Menschen vorsätzlich mit verseuchtem Blut mit HIV angesteckt hat.

Die Einvernahme von vorerst drei Opfern zeichnete ein ähnliches Bild: Der «Heiler» versprach eine Akupunkturbehandlung - und überrumpelte seine Patienten mit einem Stich in den Rücken. Für die Staatsanwaltschaft ist klar: So hat der «Heiler» alle seine Opfer angesteckt und sich deshalb der schweren Körperverletzung und der Verbreitung von menschlichen Krankheiten schuldig gemacht.

Der Beweis dafür ist allerdings schwierig. Der Beschuldigte bestreitet alle Vorwürfe. Es ist Sache des Gerichts, die Aussagen der Opfer und der Experten im Rahmen eines Indizienprozesses zu gewichten.

Drei erste Opfer haben ausgesagt

Zu Beginn des Prozesses sagte ein Opfer aus, der seine Ansteckung, die Vorgeschichte und die fatalen Folgen für seine Gesundheit, sein privates und berufliches und gesellschaftliches Leben mit grosser Präzision schilderte. Für ihn steht ausser Zweifel, dass der «Heiler» ihn angesteckt hat, weil es keine andere Möglichkeit gebe.

Danach schilderte eine Frau, wie sie vom Heiler finanziell ausgebeutet, gefügig gemacht und emotionell bedroht worden sei. Sie habe sich erst Jahre später aus dieser Abhängigkeit lösen können. Er sei sehr machtsüchtig, einschüchternd und agressiv, sagte die Zeugin.

Ein einziges Mal habe ihr der Mann eine Akupunktur-Behandlung angedeihen lassen wollen, berichtete die Frau. Er habe ihr «das dritte Auge öffnen» wollen. Dafür habe sie sich auf den Bauch legen müssen, worauf der «Heiler» ihr einen schmerzhaften Stich in den Rücken verpasst habe.

Keine Erklärung für HIV

Etwas später habe er ihr erklärt, sie sei vermutlich HIV-positiv, er sehe ihr das an. Dann habe er ihr die Adresse der zuständigen Stelle im Inselspital gegeben. Dort fiel der HIV-Test tatsächlich positiv aus. Dafür hatte die Frau zunächst keine Erklärung, erst Anfang 2008 kam sie gemäss ihren Angaben zur Überzeugung, dass die HIV-Infektion von der Akupunktur her rühren müsse.

Ein drittes Opfer schliesslich berichtete, dass der «Heiler» den Kontakt zu ihr nach einer gescheiterten, gewalttätigen Beziehung wieder gesucht habe. Bei einem Besuch bei ihm habe er sie mit einem Drink betäubt. Dann wisse sie nicht, was er mit ihr gemacht habe.

Sicher sei nur, dass sie seither HIV-positiv sei und ein einigermassen normales Leben nur mit Medikamenten bewältigen kann. Allen drei Opfern ist gemeinsam, dass sie sich nicht erklären können, weshalb der «Heiler» ihnen dies angetan habe.

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