Seit mehr als einen Jahr tobte in Europa der Erste Weltkrieg. Deutschland und Österreich-Ungarn befanden sich im Krieg gegen Frankreich, Grossbritannien und Russland. Die Regierungen in Europa machten mobil, auch die Schweiz.
Der Kampf für den Frieden war für die sozialistischen Parteien seit jeher eine der populärsten Forderungen. Ebenso viel beschworen war die internationale Solidarität der europäischen Arbeiterbewegung. Im Krieg schien jedoch vieles vergessen: Die Mehrheit der sozialistischen Internationalen verfolgte eine «Politik des Burgfriedens» und unterstützte die Kriegspolitik ihrer jeweiligen Landesregierungen.
Eine kleine Minderheit der Sozialisten kritisierte aber die fehlende Konfrontation mit den Regierungen und stellte sich gegen die Kriegsmaschinerie. Einer von ihnen war der Schweizer Sozialdemokrat und Redaktor der «Berner Tagwacht», Robert Grimm. Ihm gelang es, prominente Kriegsgegner aus Europa an einen Tisch zu bringen. Die Zimmerwalder Konferenz war ins Leben gerufen. Schauplatz: ein kleines Schweizer Bauerndorf bei Bern, im Jahr 1915.
Wie entstand die historische Zimmerwalder Konferenz?
Im Austausch zwischen Vertretern der Sozialdemokraten aus der Schweiz, Italien, Russland und Polen nahm die Idee Gestalt an, eine Zusammenkunft zu organisieren. Denkbar war dies nur in einem neutralen Land, beispielsweise in der Schweiz. In der Folge übernahm der Schweizer Sozialdemokrat und Nationalrat Robert Grimm die Organisation. Der Anlass fand vom 5. bis 8. September 1915 im Dörfchen Zimmerwald bei Bern statt, im Hotel Bon Séjour. Für die Tagung wählte Grimm bewusst einen abgelegenen Ort – denn die Konferenz war geheim. Grimm meldete die Gesellschaft als eine Gruppe von Ornithologen an.
Wer nahm an dem Anlass teil?
Dokumente zur Zimmerwalder Konferenz
In Zimmerwald trafen aber nicht wie vorgegeben unbekannte Vogelliebhaber ein, sondern eine illustre Gesellschaft der sozialistischen Internationalen. Die insgesamt 38 Teilnehmer kamen aus Frankreich, Deutschland, Italien, Russland, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Bulgarien, Rumänien und Polen. Der heute bekannteste Teilnehmer war Wladimir Iljitsch Uljanow (Wladimir Lenin) – der spätere Vater der russischen Revolution und Ikone des Kommunismus. Ein weiterer bekannter Russe auf der Teilnehmerliste: Lew Dawidowitsch Bronstein (Leo Trotzki). Das Präsidium der Konferenz übernahm Robert Grimm.
Was war der Grund für die Zusammenkunft?
Ursprünglich war die Zimmerwalder Konferenz als Friedensprojekt gedacht. Die sozialistische Internationale war bei Kriegsausbruch auseinandergebrochen und sollte neu organisiert werden. Man suchte nach einer Lösung, wie man Europas Arbeiterklasse dazu bewegen könnte, sich gegen den Krieg zu stellen und für den Frieden einzusetzen. Der Klassenkampf sollte wiedererweckt werden.
Worauf hat man sich geeinigt?
An der Versammlung verständigten sich die Teilnehmer auf ein Manifest. Darin wurde der «Burgfrieden» scharf kritisiert, den die Sozialisten mit den Regierungen geschlossen hatten. Mit ihrer Unterschrift stellten sich die Konferenzteilnehmer gegen die Gangart ihrer Regierungen und forderten die linken Parteien auf, den Krieg nicht mehr zu unterstützen.
Was hat die Konferenz politisch bewirkt?
Die Teilnehmer von Zimmerwald verbreiteten in der Folge Informationen über Friedensaktionen in den jeweiligen Ländern und versuchten, die Bewegung zu stärken. Die «Burgfriedenspolitik der sozialdemokratischen Parteiführung kam zunehmend unter Druck – zumal sich auch die Lage der Arbeiterschaft im Krieg immer mehr verschlechterte. 1920 beschlossen etwa die Schweizer Sozialdemokraten (SPS), auf die Forderungen der Zimmerwalder Konferenz einzutreten. Sie beendeten den «Burgfrieden» und gingen in Opposition.
Welche Folgen hatte das Manifest für die Sozialdemokraten?
Die zwei wichtigen Akteure in Zimmerwald, Grimm und Lenin, waren zwei gegensätzliche Geister. Grimm wollte die sozialistischen Kräfte Europas neu bündeln und gegen den Krieg richten. Lenin hingegen erhoffte sich einen revolutionären Krieg, forderte den bewaffneten Aufstand gegen den Kapitalismus. In Zimmerberg fand er keine Mehrheit für diese harte Linie. Eine Minderheit der Delegierten teilte jedoch Lenins Gedankengut – die sogenannte «Zimmerwalder Linke». Immer mehr teilte sich die Arbeiterbewegung in zwei Lager: Das revolutionäre und das reformorientierte. Damit begann die Spaltung in Kommunisten und Sozialdemokraten.
Was hat Zimmerwald mit der UdSSR zu tun?
Die Zimmerwalder Konferenz gilt als Geburtsstunde der Sowjetunion. Hier stellte Lenin seine Überlegungen eines bewaffneten Aufstandes der Arbeiterschaft auf, die letztlich in seiner Heimat zur bolschewistischen Revolution und Gründung der Sowjetunion führten.
Für den Artikel wurden folgende Quellen benutzt: SRF, Uni Bern, WOZ, Berner Zeitung, Swissinfo, Der Bund, zimmerwald1915.ch, Berner Landbote, Wikipedia