Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ist das grösste und zugleich das jüngste eidgenösische Gericht; entstanden am 1. Januar 2007 – aus über 30 verschiedenen Organisationen. Anfangs waren die Richter, Gerichtsschreiber und administrativen Mitarbeiter an drei provisorischen Standorten tätig. Im Juni 2012 wurde das zwölfstöckige Gebäude in St. Gallen in Betrieb genommen. Heute arbeiten dort rund 400 Personen.
Richter urteilen in verschiedenen Sprachen
Die 71 Richter am BVGer arbeiten in fünf verschiedenen Abteilungen und kommen dann zum Zug, wenn jemand mit einem Entscheid einer Bundesstelle nicht einverstanden ist. In gewissen Sachbereichen ist das Gericht auch für die Überprüfung kantonaler Entscheide zuständig und urteilt ausserdem vereinzelt in Klageverfahren.
Dabei beurteilen die einzelnen Abteilungen Beschwerden in verschiedenen Rechtsgebieten (siehe Box). Rechtsschriften können in jeder Amtssprache eingereicht werden.
Im vergangenen Jahr wurden am BVGer über 7200 Urteile gefällt. Der grösste Teil der Entscheide (knapp 4000 oder 55 Prozent) wurde innerhalb von drei Monaten gefällt. In 330 Fällen benötigten die Richter über zwei Jahre.
Bei Entscheiden im Asylwesen und in gewissen anderen Rechtsmaterien urteilt das BVGer abschliessend (2014: 5222 Entscheide). Alle anderen Urteile können theoretisch ans Bundesgericht weitergezogen werden. Im vergangenen Jahr mussten fünf Prozent der Entscheide abschliessend durchs Bundesgericht beurteilt werden.
Bundesverwaltungsgericht: Von Menschen und Entscheiden
Der Präsident
Für die Vertretung des Bundesverwaltungsgerichts nach aussen ist der Präsident zuständig. Seit Anfang Jahr ist dies Jean-Luc Baechler, 55 Jahre alt, aus der Romandie. Er wird das Präsidentenamt während zwei Jahren ausüben, amtet daneben aber nach wie vor als Richter.
Baechler sagt, er komme sich etwa so vor wie der Leiter einer KMU, schliesslich sei er ständig im Kontakt mit den Richtern, den Gerichtsschreibern und den Mitarbeitern. Und, so Baechler, er müsse das Budget im Lot halten. Baechler ist in der Romandie aufgewachsen, hat in Fribourg Recht studiert. Das sei mehr ein Vernunftsentscheid gewesen, sagt er. Eigentlich hätte er sich mehr für Philosophie, Geschichte und Literatur interessiert. Heute sei er froh, Recht studiert zu haben und Richter geworden zu sein. «Ich schätze den Kontakt mit den Menschen hier am Gericht», erklärt er.
Die Menschen im Hintergrund
Die 71 Richterinnen und über 200 Gerichtsschreiber am BVGer befassen sich täglich mit Beschwerden, fällen Entscheide. Damit sie jedoch in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können, braucht es zahlreiche Menschen im Hintergrund. Rund 120, um genau zu sein.
Hier stellen wir Ihnen vier von ihnen vor:
Martin Sollberger, Prozessverantwortlicher Sicherheit und Empfang:
Martin Sollberger sitzt während acht Stunden in seiner Loge, wie er seinen schätzungsweise 16 Quadratmeter grossen Raum, direkt neben dem Eingang nennt. Er überwacht den Eingangsbereich, überprüft, wer das Gebäude betritt und händigt Zutrittbadges für Handwerker oder Besucher aus. Zu Sollbergers Aufgaben gehören auch das Bearbeiten der Alarm- und Brandmelder, die Koordination der Notfallorganisation – und das Röntgen von Briefen und Paketen. Zudem nimmt Sollberger auch Beschwerden entgegen, die nicht per Post, sondern persönlich abgegeben werden.
Rosi Birle, Mitarbeiterin Cafeteria:
Rosi Birles Tag beginnt um 6.30 Uhr. Dann richtet sie die Sandwiches, Brötchen und Gipfeli, bevor die Cafeteria um 8.30 Uhr öffnet. Zuerst, so Rosi Birle, kämen die deutschsprachigen Mitarbeiter in die Kaffeepause, anschliessend die Romands. Dasselbe beim Mittagessen. «Die Welschen», sagt Rosi Birle, «kommen immer punkt 12.15 Uhr, jeden Tag.» Mit den Mittagsmenüs übrigens, wolle man den verschiedenen Sprachregionen am Gericht gerecht werden. So gibt es ab und zu Tessiner oder Westschweizer Spezialitäten. Das absolute Highlight seien jeweils aber die Hamburger.
Franz Neuenschwander, Mitarbeiter Zentrale Kanzlei:
Franz Neuenschwander ist Mitglied eines siebenköpfigen Teams auf der Zentralen Kanzlei. Seine täglichen Arbeiten sind: die eingehende Post entgegen nehmen und verteilen, den Postausgang vorbereiten, interne Kuriergänge durchführen, Beschwerden registrieren und Verfahrensdossiers archivieren. Sämtliche Briefe und Pakete, die von seinem Team geöffnet werden, wurden im Vorfeld geröntgt. Sprich: auf gefährliche Stoffe wie beispielsweise toxische Inhalte und Sprengstoff untersucht. Pro Monat treffen zwischen 4000 und 5000 Briefe sowie 400 bis 600 Pakete beim Bundesverwaltungsgericht ein, dazu kommen zwischen 30 und 60 Beschwerden täglich. Jährlich werden etwa 8500 neue Dossiers archiviert. Das Archiv des Bundesverwaltungsgerichts beinhaltet zur Zeit 65‘000 Dossiers.
Michael Sutter, Leiter Betrieb und Sicherheit:
Michael Sutter bezeichnet sich und sein Team als «Mädchen für alles». Sein grösstes Anliegen: Die Mitarbeiter sollen sich wohl fühlen, sollen gerne in den Räumen des BVGer arbeiten. Das heisst: Niemand soll in einem der rund 400 Büros zu kalt oder zu warm haben, das Haus muss sauber sein, sämtliches Arbeitsmaterial muss zur Verfügung stehen. Michael Sutter war von Anfang in den Neubau des Gebäudes involviert, hat bei der Erstellung des Sicherheits- und Betriebskonzepts mitgearbeitet.
Am Bundesverwaltungsgericht sind Menschen wie Martin Sollberger, Rosi Birle, Franz Neuenschwander und Michael Sutter unentbehrlich. Sie sprechen zwar kein Recht, tun aber alles dafür, damit diejenigen, die Urteile fällen, dies in einer angenehmen und sicheren Atmosphäre tun können.
SRF 1, Regionaljournal Ostschweiz, 17:30 Uhr