Laut einer kürzlich publizierten Studie gibt es bei den 50-jährigen und älteren Gefangenen in der Schweiz seit 1984 eine Verdreifachung. Dies stellt den Justizvollzug vor neue Herausforderungen.
Die Schweizer Bevölkerung altert - und zumindest für gewisse Delikte gibt es in der Schweizer Rechtspraxis einen Trend zu härteren Strafen; etwa durch Änderungen in der Verwahrungspraxis und durch die neue Möglichkeit der lebenslänglichen Verwahrung. Deshalb leben in Schweizer Gefängnissen immer mehr ältere Häftlinge - dies besagt die kürzlich publizierte Studie «Lebensende im Justizvollzug».
Richtige Pflegeabteilungen fehlen
Einzelne Strafanstalten haben sich auf die älter werdenden Insassen eingestellt: In Lenzburg wurde im Frühling 2011 die Abteilung «60+» eröffnet, und die Justizvollzugsanstalt Pöschwies in Regensdorf richtete vor einem Jahr eine Abteilung speziell auf ältere Gefangene aus. Eine richtige Pflegeabteilung in einem Schweizer Gefängnis gibt es bisher aber noch nicht. Erste Plätze für pflegebedürftige Häftlinge sind im bündnerischen Cazis in der neuen Anstalt Realta geplant.
Herausforderung fürs Personal
Dies bringt für das Gefängnispersonal zunehmend pflegerische Aufgaben. Laut Roger Huber, Leiter der Abteilung «Alter und Gesundheit» in der JVA Pöschwies, cremen hier Mitarbeiter älteren Gefangenen nach dem Duschen den Rücken ein, helfen beim Rasieren oder bei der Wundpflege nach einer Operation. Dabei sind gegenseitige Berührungen im Vollzug alles andere als normal und bringen laut Huber Schwierigkeiten mit sich: «Einerseits müssen die Mitarbeiter Vertrauen zum Gefangenen aufbauen, damit sie ihn pflegen können. Andererseits müssen sie dieses Vertrauen wieder missbrauchen, etwa bei einer Kontrolle seiner Zelle.»
Sterben im Gefängnis
Noch schwieriger wird es, wenn ein Häftling kurz vor seinem Lebensende steht. Thomas Staub ist leitender Arzt im Arztdienst der JVA Pöschwies: «Auch vor dem Tod kann jemand noch gefährlich sein. Deshalb kann man nicht einfach sagen, wir lassen ihn jetzt in ein Sterbehospiz.» Früher oder später brauche es deshalb mehr Plätze in Pflegeabteilungen in Gefängnissen.