In seiner vierten Produktion unter neuer Leitung widmet sich das Theater Neumarkt einer Erzählung aus dem Jahr 1925.
Der «neue sowjetische Mensch»
In einer Satire mit dem Titel «Hundeherz» schreibt der Autor Michail Bulgakow über das damals propagierte Projekt des «neuen sowjetischen Menschen». In dieser Geschichte nimmt ein Moskauer Professor einen streunenden Köter für einen Laborversuch mit nach Hause, um ihm menschliche Organe einzupflanzen. Das Experiment verläuft jedoch anders als gedacht: Anstatt jünger, wird der Versuchshund Sharik ein Mensch. Dieses unabsichtlich erschaffene Monster wird schon bald zum Gegner des Professoren.
Das Theater Neumarkt erzählt die Geschichte im ersten Teil des Stücks als schlingerndes, naturalistisches Körpertheater in Geruchs- und Trockeneis-Schwaden, mit ekligen Videobildern und permanenter Musikbeschallung. Was gespielt wird, ist ein multimedial überbordendes Rätsel. Immerhin wird das Experiment am Hund bis zur verblüffenden Menschwerdung nachvollziehbar erzählt.
Aus dem Köter wird ein Entertainer
Nach der Pause sitzt der Hund als Genosse Sharik mit seinem Schöpfer Bier trinkend im Foyer und die Inszenierung von Pedro Martins Beja kippt in die Performance: Aus dem Köter ist ein Entertainer geworden, der mit den Zuschauern Party feiert.
Während der Professor an seiner Schöpfung verzweifelt, zieht eine Hälfte des Publikums mit Leninmasken, roten Fahnen und Schnapsgläsern durchs Niederdorf. Per Video sieht das die andere Hälfte des Publikums im Theatersaal und wartet eine gefühlte Ewigkeit auf die Rückkehr der Revoluzzer.
Nicht revolutionär, aber spektakulär
In Michail Bulgakows Erzählung wird das Experiment am Hund rückgängig gemacht. Am Theater Neumarkt läuft es vollends aus dem Ruder. Die Geschichte endet im Ringkampf der Protagonisten: jeder für sich und alle gegen alle. Wie die Schauspieler als menschlicher Klüngel über die Bühne tollen, ist ein Höhepunkt des Stücks. Es ist schliesslich das tolle Spiel von Maximilan Kraus, Martin Butzke, Yanna Rüger und Emre Aksizoglu, das von der 2,5 Stunden dauernden Aufführung in Erinnerung bleibt.
Die Auseinandersetzung mit dem Stoff bleibt allerdings trotz einigem Ziehen am ökonomischen und politischen Aktualisierungsregister in sich stecken. Revolutionär ist das nicht, spektakulär aber allemal.