Wenn sich die Schweizer Bundesverwaltung neue Informationstechnologie zulegt, sollten alle Alarmglocken läuten. Immer wieder ist es in den letzten Jahren vorgekommen, dass Millionen-Projekte in den Sand gesetzt wurden oder dass es bei IT-Aufträgen zu Vetternwirtschaft oder gar Korruption kam. Mit Schuld daran: die intransparente Beschaffungspolitik des Bundes.
Neue Zahlen der Universität Bern zeigen die Entwicklung der IT-Beschaffungen – und lassen klare Probleme erkennen. Sieben Grafiken geben den Überblick.
1. Die Situation der freihändigen Vergaben beim Bund hat sich nicht geändert
Schaut man sich alle freihändigen Vergaben des Bundes seit Anfang 2009 an, zeigt sich: Die Entwicklung der freihändigen Vergaben bleibt konstant bei rund 16 Prozent.
Das betrifft alle Arten von Vergaben: Vom Bau von Tunnels und Strassen über den Einkauf des Mobiliars für ein neues Gebäude bis zu den Computern. Wenn 16 Prozent dieser Aufträge nicht ausgeschrieben, also freihändig vergeben wurden, bedeutet das: Immerhin 84 Prozent wurden ausgeschrieben und so dem Wettbewerb geöffnet. Denn das sagen die Richtlinien der Welthandelsorgansation WTO: Nur in Ausnahmefällen darf der Bund Aufträge direkt an Firmen vergeben und muss sie nicht ausschreiben.
2. IT-Aufträge werden mehrheitlich freihändig vergeben
Anders sieht das aus, wenn man nur die IT-Beschaffungen des Bundes analysiert. Hier wird seit 2009 jedes Jahr die Mehrheit aller Aufträge unter der Hand vergeben. Das ist ein Vielfaches mehr als bei jeder anderen Beschaffungsart. Die Ausnahme ist offenbar zur Regel geworden.
3. Fast 60 Prozent aller IT-Vergaben unter der Hand vergeben
Von insgesamt 956 IT-Vergaben des Bundes, welche die Universität Bern seit 2008 gefunden hat, wurden 564 Aufträge freihändig vergeben. Das sind Aufträge im Wert von mindestens einer Milliarde Franken, die ohne Ausschreibung direkt zu den Anbietern flossen.
4. Dabei nehmen die IT-Beschaffungen zu
Das Problem scheint System zu haben – und es nimmt zu. In den letzten Jahren ist die Zahl der IT-Beschaffungen beim Bund auf rund 150 Aufträge pro Jahr gestiegen. In anderen Worten: Jeden zweiten Tag wird ein IT-Auftrag vergeben.
5. Die meisten IT-Freihänder vergeben ASTRA und BIT
Dabei gibt es grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Ämtern und Departementen. Die meisten freihändigen Zuschläge seit 2008 hat das Bundesamt für Strassen ASTRA gemacht: 77 von 182 Aufträge wurden unter der Hand vergeben. Trotzdem ist das – im Vergleich mit den anderen Bundesämtern – mit 42 Prozent unterdurchschnittlich. Wesentlich über dem Durchschnitt hingegen ist das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD: 23 von 29 IT-Beschaffungen waren da freihändig. Das macht eine Freihänder-Quote von 79 Prozent. Das EJPD begründet das mit der Ausnahmeregelung, dass, falls die Ausschreibung eines Auftrags die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, dieser nicht öffentlich beschafft werden müsse. Dies sei beim EJPD naturgemäss bei vielen Aufgaben der Fall.
6. Firmen, die am meisten Freihänder bekommen haben
Sieht man sich die Anbieter-Seite genauer an, fallen ebenfalls grosse Differenzen ins Auge. So sind unter den fünfzehn Firmen mit den meisten freihändigen Aufträgen vom Bund vor allem die grossen IT-Firmen der Schweiz zu finden. Zusammen haben sie seit 2008 insgesamt 158 freihändige Zuschläge im Gesamtwert von mindestens 350 Mio. Franken bekommen. Firmen wie AdNovum, ESRI Schweiz oder Microsoft haben gemäss den Daten der Universität Bern gar ausschliesslich Freihänder gekriegt.
7. Der Insieme-Effekt bringt mehr Ausschreibungen
Es lassen sich aber auch positive Entwicklungen feststellen, wie SRF bereits berichtete. So werden seit dem Sommer 2012 – gemessen am Wert – deutlich mehr Aufträge ausgeschrieben und publiziert als zuvor. Grund dafür könnte der «Insieme»-Skandal der Bundesverwaltung sein, der zu dieser Zeit losgetreten wurde. Allerdings dürften die neuen Zahlen die Aufsicht der Beschaffer trotzdem alarmieren: Denn auch wenn mehr Aufträge öffentlich publiziert werden – die Freihand-Quote der IT-Beschaffungen bleibt überdurchschnittlich hoch.
Mitarbeit: Marie-Louise Timcke
(Sendebezug: «Rundschau», SRF 1, 20.55 Uhr)