Nur mit hauchdünner Mehrheit hat das Schweizer Stimmvolk die Revision des RTVG angenommen. Einig waren sich am Abstimmungssonntag Abstimmungssieger und -verlierer in einem Punkt: Es muss nun eine Diskussion über den Service public folgen. Das sieht auch Medienprofessor Otfried Jarren von der Universität Zürich so. Er plädiert für Zusammenarbeit der Medien – um der Qualität willen.
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Otfried Jarren: Natürlich muss man das kritische Abstimmungsergebnis auch als Signal werten. Dennoch wäre ich mit dem Urteil etwas zurückhaltender: Es war eigentlich eine technische Abstimmung, wurde von den Medien und einigen Kampagnenführenden aber zu einer grundsätzlichen Diskussion gemacht. Natürlich muss und darf die Diskussion über den Service public und die SRG geführt werden. Doch man sollte sie entkoppeln von der technischen Abstimmung, die nun durchgeführt wurde.
Jetzt kommt die Diskussion über den Service public. Muss die SRG nun über die Bücher gehen?
Diese Diskussion sollte grundsätzlich immer geführt werden. Jemand, der Gebühren erhält und einen gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen will, muss in ständigem Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft stehen. Mit allen Sprachräumen, mit den Kulturgruppen, mit den sogenannten Stakeholdern. Medien stehen immer mitten in der Gesellschaft und müssen sich rechtfertigen. Sie müssen auch ihre Preise und Leistungen legitimieren und sich der kritischen Diskussion stellen. Insofern steht nun auch die SRG vor der Herausforderung, sich dieser Diskussion abermals und sehr deutlich zu stellen.
Gibt es ein Beispiel, wie man das konkret anpacken könnte?
Die BBC hat das etwa mit ihren «Promises» gemacht. Sie hat dort Ziele versprochen, die sie in einem gewissen Zeitraum erreichen will. Sie hat aufgezeigt, wie sie die Ziele erreichen will und sich dann dem Dialog gestellt, ob die Ziele erreicht wurden oder nicht. Die SRG idée suisse – wie sie einmal hiess – hatte das Konzept einer sogenannten Nutzen-Bilanz. Sie hat versucht darzulegen, wie sie ihre Ziele erreicht hat, wo sie Schwierigkeiten hat und wie sie mit diesen Zielen, die sie erreicht und auch nicht erreicht hat, umgeht.
Die jungen Menschen von heute, die sogenannten Digital Natives, wurden viel weniger mit Radio und Fernsehen sozialisiert als das früher der Fall war. Wie kann die SRG auch junge Menschen besser erreichen?
Das ist eine Aufgabe für alle Medien – für die SRG genauso wie für die NZZ, den «Tages-Anzeiger» oder «Le Temps». Es ist schwieriger geworden, junge Menschen dauerhaft zu binden und sie mit Leistung zu überzeugen und immer wieder dafür zu gewinnen, ein Abonnement zu bezahlen. Das erfordert eine andere Ansprache, eigene Kanäle und selbstverständlich Aktivitäten auf dem Internet, vor allem in den Social Media. Man muss dorthin gehen, wo die Menschen sind. Dieser Art des Einbezugs der Jugendlichen wird für alle Medien und natürlich auch für die SRG zur zentralen Anforderung.
Doch gerade beim Internet drohen der SRG Konflikte mit den Verlegern...
Natürlich gibt es eine Diskussion über «wer soll das, wer kann jenes nicht und wer soll das nicht machen». Das muss ausgehandelt werden. Dazu werden Gespräche in verschiedenen Kontexten geführt, was auch Sinn macht. Auch hier kann man darüber nachdenken, wie man zu guten Kooperationsergebnissen kommt und Ziele gemeinsam erreicht. Dies etwa auch mit Blick auf die Migranten in der Schweiz und eben die Jugendlichen.
«Gemeinsam» heisst dann vielleicht auch zusammen mit den Zeitungshäusern?
Es gibt ja bereits Kooperationen in vielfältiger Art. Eigentlich brauchen wir eine europäische Qualitätsmedien-Initiative. Qualitätsmedien sollten dafür sorgen, dass bestimmte Standards eingehalten werden, etwa in der Auslands- oder der Hintergrundberichterstattung. Das ist unter den heutigen Marktbedingungen schwieriger denn je. Deshalb bietet es sich an, europäisch zu denken und auf Kooperation – natürlich auf hohem qualitativem Level – zu setzen.
Das Interview führte Elmar Plozza.