Als das Parlament über das «Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen», das Epidemiengesetz, abstimmte, schien der Fall klar: Im Nationalrat sagten 91 Prozent Ja, der Ständerat billigte die Revision gar mit 95 Prozent.
Doch dieses eindeutige Bild lässt sich nicht auf die Bevölkerung übertragen. Das ergab schon die erste Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG und ist bei der zweiten nicht anders: 49 Prozent der Stimmberechtigten sind heute für das Gesetz, 39 Prozent dagegen – dieselben Werte wie im August. Gleich geblieben ist mit 12 Prozent auch der Anteil jener, die zwar an die Urne gehen wollen, aber noch nicht wissen, was sie einlegen werden.
Das ist dem «flauen Abstimmungskampf» zuzuschreiben, sagt Claude Longchamp von gfs.bern. «Die Kampagnen haben nicht wirklich Wirkung gezeigt.» Die hohe Zahl der Unentschlossenen sei zudem dem besonderen Thema zuzuschreiben: «Das ist kein Alltagsthema, mit dem man sich gerne freiwillig beschäftigt.»
SVP: Ins Nein umgeschwenkt
Ein Blick auf das Parteienraster zeigt: Am deutlichsten sagen die CVP-Wähler mit 62 Prozent Ja zum neuen Epidemiengesetz, plus 6 Prozentpunkte gegenüber der ersten Umfrage. Bei den FDP-Anhängern war die Situation im August noch eindeutig, es zeichnete sich mit 57 Prozent ein klares Ja ab. Jetzt befürworten nur noch 51 Prozent das Gesetz.
Ins Nein gekippt ist die SVP-Wählerschaft. Im August waren noch 58 Prozent dafür, 34 Prozent dagegen. Jetzt sind 42 Prozent dagegen und 51 Prozent dafür.
Laut gfs.bern sind die Konfliktmuster nicht durch den klassischen Links-Rechts-Gegensatz gekennzeichnet – wie es beispielsweise bei den anderen beiden Vorlagen der Fall ist, die am 22. September zur Abstimmung kommen. Vielmehr stehe man an den Polen der Vorlage skeptisch gegenüber, die Ungebundenen seien neutral, und der Kern der drei grossen Parteien sei auf Behördenkurs, tendiere zu einem Ja.
In der Deutschschweiz weniger Zustimmung
Die geringen Meinungsunterschiede zwischen Männern und Frauen in der ersten Umfrage haben sich leicht verändert. Waren im August 52 Prozent der Männer für das neue Gesetz, sind es jetzt 54 Prozent. Bei den Frauen nahm die befürwortende Haltung um 2 Prozentpunkte ab (neu: 45 Prozent), die ablehnende liegt nun bei 42 Prozent (+4 Prozentpunkte).
Auch in der zweiten Umfrage ist weiterhin kein Röstigraben auszumachen. In der Romandie sind 51 Prozent für das Gesetz, 49 Prozent sind es in der italienischsprachigen Schweiz und 48 Prozent in der Deutschschweiz. Während in der Westschweiz und im Tessin die Befürworter besser dastehen als noch im August, nahm in der Deutschschweiz die Zustimmung um 2 Prozentpunkte ab.
Beidseits «starke Botschaften»
«Argumentativ haben beide Lager starke Botschaften», ermittelte das Forschungsinstitut. Auf der Pro-Seite zieht am besten die These, dass «angesichts der Globalisierung und der damit verbundenen neuen Bedrohungslagen» das alte Epidemiengesetz angepasst werden müsse. 60 Prozent unterstützen das Argument, 25 Prozent sind dagegen.
Mit 59 Prozent ist die beste Begründung der Gegner: Das neue Epidemiengesetz führe zu einem faktischen Impfzwang, von dem vor allem die Pharmaindustrie profitiere.
Ja-Seite leicht im Vorteil
Welche Szenarien zeichnen sich nun für den Abstimmungssonntag ab? Die Ja-Seite hat mit 10 Prozentpunkten einen Vorsprung. «Eine gesicherte Aussage zum Abstimmungsausgang» lässt sich laut gfs.bern aber nicht machen.
Vorstellbar sei, dass sich die verbliebenen Unschlüssigen (12 Prozent) sowohl auf die Seite der Befürworter als auch auf jene der Gegner schlagen könnten. Die Ja-Seite dürfte aufgrund der derzeitigen Ergebnisse dann leicht im Vorteil liegen.
SRF 4 News, 17 Uhr