In den 90erJahren ist die Schweiz erwacht. Damals gelangte Jahr für Jahr ein Überschuss von 20'000 Tonnen Phosphor in die Umwelt. In den nächsten 10 Jahren konnte diese Zahl auf rund 6'000 Tonnen reduziert werden. Was ermutigend klingt, gibt bei näherer Betrachtung dennoch wenig Anlass zur Euphorie.
Ein Güterzug voll Phosphor – mit 150 Wagen
Denn für den Zustand unserer Böden entscheidender sei der Phosphor, der bereits jetzt zu viel darin enthalten ist, kommentiert der Landwirtschaftsexperte Marcel Liner die Lage. 200'000 Tonnen sind es, rechnet der Agrarbericht des Bundesamtes für Landwirtschaft (BFL) vor. Pro-Natura-Projektleiter Liner kann diese Zahl bestätigen. Aber statt abzunehmen, nimmt diese Zahl weiter zu.
Bei der jetzigen Verwendung von Düngemitteln gelangen immer noch jährlich rund 6'000 Tonnen zu viel des Giftes in unsere Umwelt. Das entspricht einem Phosphor-Güterzug von gut drei Kilometern Länge.
Kaum noch Erfolge zu verbuchen
Was diese 6000 Tonnen zu viel an Phosphor für die Belastung der Böden und Gewässer bedeuten, rechnet Liner am Beispiel des Baldeggersees (LU/AG) vor.
Die aktuelle jährliche Phosphor-Zufuhr beträgt 4,5 Tonnen P/a. Die kritische Zufuhr-Menge beträgt 2,3 Tonnen. «Die aktuelle Zufuhr ist heute also doppelt so hoch wie die ökologisch verträgliche», sagt Liner auf Anfrage von SRF News Online.
Und ökologisch verträglich heisst dabei lediglich, dass ab dieser Menge der See nicht mehr künstliche belüftet werden müsste. Eine Erste-Hilfe-Massnahme, die man dem Baldeggersee seit nunmehr 30 Jahren angedeihen lassen muss. Und dass sich an dieser Situation bald etwas ändert, dafür gibt es kaum Anzeichen.
Zwar hat sich die Lage seit den 90erJahren massiv verbessert. Diese Verbesserungen der Phosphor-Bilanz (Differenz von Input und Output) geht aber auf Bemühungen in den ersten zehn Jahren zurück. «Seit der Jahrtausendwende ist nicht mehr viel passiert», sagt Liner.
Bauernpräsident Ritter weist die Kritik zurück. Die Ausbringung von Dünger sei in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. «Wir haben die Auflage, nur so viel zu düngen, wie die Pflanzen verwerten können, alles andere ist nicht zulässig.» Das werde sehr streng kontrolliert, so Ritter. Tatsächlich ist der Phosphor-Überschuss in den letzten zwanzig Jahren von jährlich 20‘000 Tonnen auf 6000 Tonnen gesunken. Gemäss Agrarpolitik 2014-17soll er weiter bis auf 4000 Tonnen jährlich sinken.
Die langfristige Fruchtbarkeit landwirtschaftlicher Böden in der Schweiz ist bedroht.
Noch unerfreulicher ist die Bilanz bei den in der Landwirtschaft eingesetzten Pestiziden und damit bei der Bodenbelastung mit giftigen Schwermetallen. Das Problem an den Schwermetallen: Sie werden kaum abgebaut, sondern einfach in tiefere Bodenschichten abgeschwemmt.
Zwar qualifiziert der Agrarbericht auch hier die Entwicklung als «gesamthaft erfreulich». Fokussiert man sich aber auf die bestehende Belastung durch Cadmium, Blei, Quecksilber, Zink und Kupfer zerfällt die prognostische Gelassenheit ziemlich rasch. Und der Bund räumt ein, dass die langfristige Fruchtbarkeit der Böden nicht mehr gewährleistet werden kann.
Zu viel Gülle, zu viel Gifte
So hat das Wasserforschungsinstitut der ETH im Frühjahr 2014 errechnet, dass in über 70 % der Schweizer Bäche und Flüsse Rückstände von landwirtschaftlichen Pflanzengiften schwimmen. Der Agrarbericht des Bundes spricht nun von jährlich 2000 Tonnen eingesetzter Pestizide.
Namentlich dokumentiert ist eine Gesamtzunahme beim Zink und beim Kupfer. Die Zunahme ist vor allem auf Grasland gemessen worden. Auf diesen Parzellen wurde laut BFL-Agrarbericht sehr viel Gülle ausgebracht, die in der Düngestatistik nicht mit gerechnet wird.
Für Umweltverbände ist klar: Viel ist passiert, aber noch lange nicht genug. Und sollen die Böden auch für unsere Enkel noch etwas taugen, müssen Schadstoffe aus den Böden verschwinden, nicht bloss weniger hinein gelangen.