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Schweiz «Arena»: Flüchtlinge in Como sind Opfer Europas

In Como stecken Flüchtlinge fest. Sie wollen die Schweiz durchqueren oder hier um Asyl bitten. In Anwendung der Dublinverträge werden sie von der Schweiz zurück nach Italien geschickt. Die eine Seite wirft der anderen Unzulänglichkeit vor. In der «Arena» kommt dennoch überraschende Einigkeit auf.

In der «Arena» diskutieren:

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Das Ambiente im neuen Tessiner Rückführungszentrum in Rancate erinnert an eine Turnhalle. Die Diskussion um das Flüchtlingsproblem an unserer Südgrenze in Chiasso verläuft erfrischend sachlich. Die Debatte dreht sich dabei um zwei Hauptfragen:

  • Werden Flüchtlinge von Mitgliedern des Grenzwachtkorps zu Unrecht nach Italien zurückgeschickt, wie Betroffene das behaupten?
  • Was muss geschehen, damit das Flüchtlings-Problem für alle Betroffenen angemessen bearbeitet werden kann?

Sowohl Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne/ZH) als auch die Direktorin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Miriam Behrens, sind überzeugt: An der Schweizer Grenze werden Menschen zurück in die Trägheit des italienischen Asylverfahrens gezwungen, die von Gesetzes wegen Anrecht auf ein Asylverfahren in der Schweiz hätten. Insbesondere Kinder. Das wird in dieser Bestimmtheit vom Rest der Redner bezweifelt.

Der Tessiner CVP-National Marco Romano lobt vielmehr die Arbeit des Grenzwachtkorps GWK und des Staatssekretariats für Migration SEM. Momentan schaffe es Europa nicht, seine Reaktionen zu koordinieren. Die Schweiz sei zum Einfallstor nach Nordeuropa geworden, und dafür löse es die Aufgaben vorbildlich. Eine Einschätzung, die auch FDP-Nationalrätin Doris Fiala teilt.

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In Chiasso habe man bislang 30'000 illegal Einreisende Dublin-konform abgefertigt. Der Tessin mache seine Arbeit vorbildlich, gibt Fiala zu bedenken.

Ich war da und ich habe es gesehen: es gibt diese Menschen.
Autor: Miriam Behrens Direktorin Schweiz. Flüchtlingshilfe

Die unterschiedliche Wahrnehmung der Schicksale jener Flüchtlinge, welche am GWK gescheitert sind und zurück nach Como verfrachtet werden, liegt, wie so oft, im Detail.

Die Gesetzeslage ist dabei eindeutig, wie David Keller vom SEM erläutert und damit Klarheit schafft: «Gibt ein Einreisender klar zum Ausdruck, dass er Asyl in der Schweiz möchte, dann soll er vom Grenzwachtkorps an uns weitergeleitet werden. Wir klären, ob er Anrecht auf das Asylverfahren hat.»

Der Vorwurf, eben diese Kompetenz-Trennung werde vom Korps regelmässig überschritten, kann das Plenum in der «Arena» nicht abschliessend klären. Lega-Staatsrat Norman Gobbi und auch der Chef des Fachbereichs Migration beim Grenzwachtkorps versuchen, diese Grauzone auszuleuchten.

Wenn eine Person sieben Mal wiederkomme, erläutert Patrick Benz vom GWK, und dabei beim ersten Mal 35 Jahre alt sei und beim letzten Mal angäbe, sie sei 17, dann müsse man davon ausgehen, dass die Einreise illegal sei. In so einem Fall ginge es nicht mehr um das Asylrecht, sondern um das Ausländerrecht.

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Glättli und Behrens stellen sich hier auf den Standpunkt, dass es auch in diesem Fall nicht im Ermessen des GWK liege, ob der Betreffende ein Recht auf einen Asylantrag habe.

Schuld an der Misere sind die anderen

In einem zweiten Schritt der Debatte dehnt Moderator Jonas Projer den Fokus aus, womit der Blick auf Europa fällt. Und hier können die eifrigsten Gegner in der «Arena» nun plötzlich so etwas wie Einigkeit finden.

Zwar betonen Fiala und Romano, wie sehr die Schweiz von den Dublin-Verträgen profitiere und belegen das auch mit harten Zahlen. Dennoch bleibt für Glättli und Gobbi unbestritten, dass die Dublin-Verträge einige Geburtsfehler aufweisen. «Dublin regelt, wer zuständig ist, aber es definiert kein einheitliches Verfahren und es regelt die Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Länder nicht», führt Glättli an und erntet einhelliges Nicken. Ein Steilpass letztlich für die Befürworter des jetzigen Vorgehens.

Europa werde sich kurzfristig bezüglich dieser «Geburtsfehler» nicht einigen können und sich darum auch nicht anders organisieren, fasst der Tessiner CVP-Nationalrat Romano die nahe Zukunft zusammen. Unsere einzige Möglichkeit sei es darum, die Dublinverträge zu stützen und das Verfahren weiterhin vertragskonform durchzuführen. Die Auffassung darüber, wie diese Konformität im Einzelfall auszusehen hat, dürfte auch weiterhin ein Zankapfel bleiben.

Und in wie weit man im Tessin eine ganz andere Auffassung hat, wie im Rest der Schweiz, dem ging Moderator Jonas Projer in seiner letzten Frage nach.

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