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Sonntagsschulen gibt es nur noch sehr, sehr selten
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 15.04.2024. Bild: IMAGO / Loop Images (Symbolbild)
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Bibelkunde am Sonntag Die Sonntagsschulen sind weitgehend ausgestorben

«Rettet die Sonntagsschule», forderten Kirchgemeinden vor Jahrzehnten. Inzwischen will das selbst die Kirche nicht mehr.

«Sonntagsschule ist nicht mehr so, wie sie unsere Grosseltern kannten», heisst es in einem Video der reformierten Kirchgemeinde Bözberg-Möhntal im Kanton Aargau. «Bei uns fägt es.» Es werde gemalt, gebastelt und gesungen, dazu würden Bibelgeschichten erzählt, kindgerecht inszeniert. Trotzdem: Solche Angebote sind inzwischen sehr selten geworden.

Im Aargau werde noch an vier Orten eine traditionelle Sonntagsschule angeboten, sagt Religionspädagogin Monika Thut von der Reformierten Landeskirche Aargau: «Diese Sonntagsschulen befinden sich in stark protestantisch geprägten, kleinen Dörfern etwas ‹ab vom Schuss›. Also an Orten, wo die Kirche noch eine Art Selbstverständlichkeit ist.»

Ursprünglich ein Angebot für Arme

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Legende: Robert Raikes in einer undatierten Zeichnung eines unbekannten Künstlers. IMAGO / Heritage Images

Der englische Zeitungsverleger und Sozialreformer Robert Raikes gilt als Vater der Sonntagsschulen. Er soll die erste Sonntagsschule 1780 in England gegründet haben.

Er unterrichtete in einem Elendsviertel der Stadt Gloucester im Westen Englands «verwahrloste Kinder» und brachte ihnen anhand der Bibel Lesen und Schreiben bei, wie verschiedene Quellen berichten.

Aus diesem Grund wird die Sonntagsschule auch als Treiberin für die Alphabetisierung bezeichnet. Gleichzeitig ging es aber natürlich darum, Kinder zum christlichen Glauben zu erziehen.

Sonntagsschulen breiteten sich schnell in andere Länder aus und wurden zu einem festen Programmangebot vieler Kirchen und Freikirchen.

Das Konzept der Sonntagsschule stammt aus dem 18. Jahrhundert. Im Aargau wurden reformierte Sonntagsschulen im Jahr 1905 eingeführt. Während die Eltern den Gottesdienst besuchten, wurden die Kinder in Bibelkunde unterrichtet. Doch schon in den 1980er-Jahren riefen Kirchgemeinden zur «Rettung der Sonntagsschule» auf, da die Zahl der Kinder dramatisch schrumpfe.

Die Entwicklung überrascht nicht: Auch die Zahl der Kirchenmitglieder schrumpft. Über 30'000 Menschen haben der reformierten Kirche im Jahr 2022 den Rücken gekehrt. Die Aargauer Kirche verzeichnete mit knapp 5000 Austritten 2023 einen neuen Rekord. Kinderbetreuung während des Gottesdienstes ist also kaum mehr nötig.

Neue Angebote, auch ausserhalb der Kirche

Dafür sind andere Angebote entstanden. Eine «Kinderkirche» in Aarau, das «Fiire mit de Chliine» in Rheinfelden, der «Kindergottesdienst» in Baden. Diese Angebote finden häufig nicht mehr am Sonntag statt. Zudem stünden alle diese Angebote heute noch stärker in Konkurrenz zu ausserkirchlichen Aktivitäten, sagt Monika Thut.

Kleine Kinder sitzen unter Bäumen in einem Zeltlager auf einer Bank
Legende: Sonntagsschulen hatten über lange Zeit auch einen sozialen Zweck: Auf dieser Aufnahme werden Kinder von Migrantinnen und Migranten in einem Lager für Kartoffelpflücker in Kalifornien unterrichtet. Die Aufnahme wird vermutlich auf das Jahr 1937 datiert. Imago / Heritage Images

Dabei gebe es auch ausserhalb der Kirche durchaus Angebote mit spirituellem Ansatz. «Kinder-Yoga finde ich zum Beispiel sehr gut. Wenn Eltern eher im Yoga-Bereich daheim sind, dann haben wir mit unserer christlichen Tradition sowieso keine Chance.» Wichtig seien Angebote, welche die Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung förderten, findet Monika Thut von der Aargauer Landeskirche.

Aus professioneller Sicht müssen Angebote einen Mehrwert für die Kinder bieten.
Autor: Monika Thut Religionspädagogin Reformierte Landeskirche Aargau

«Auch in Jugendverbänden geht es dabei nicht um Leistung. Sondern um Zusammenhalt, Gemeinschaft und Haltung; Haltung gegenüber der Natur oder gegenüber Menschen.» Solche Angebote müssen aus ihrer Sicht nicht unbedingt christlich ausgerichtet sein.

Kinder sollen wollen, nicht müssen

Selbst für die kirchliche Jugend- und Kinderarbeit findet Monika Thut nämlich vor allem psychologische Aspekte wichtig. «Es geht darum, wie wir Kinder in ihrer Resilienz stärken können. Damit sie in dieser Welt bestehen können, in der es um Leistung oder Schönheit geht. Wir müssen Gegenwerte vermitteln.»

Zwei Frauen spielen mit Puppen, im Hintergrund Kinder auf Badetüchern auf einer Wiese
Legende: Neue Formen von kirchlicher Kinder- und Jugendarbeit gibt es überall: hier ein «Krabbelgottesdienst» unter freiem Himmel im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. IMAGO / Funke Foto Services

Die klassische Sonntagsschule hat wohl bald ausgedient. Die Zeiten sind vorbei, in denen reformierte Eltern ihre Kinder am Sonntag zur Bibelkunde «schicken», sagt Monika Thut. Und erinnert sich dabei an ihre eigene Vergangenheit als Sonntagsschülerin.

«Es gab da immer einen, der sich saudoof verhalten hat. Der wollte offensichtlich nicht kommen und die gute Sonntagsschullehrerin hatte immer ein Zeug mit ihm», erzählt sie. Heute sei klar: Es kommen die, die kommen wollen. «Das ist ja ein schöner Ansatz, auch im Verein oder bei anderen Zusammenkünften. Man macht mit denjenigen etwas, die auch gerne mit dabei sind.»

Regionaljournal Aargau Solothurn, 15.4.2024, 17:30 Uhr;

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