Der volle Saal im «Rössli» Illnau (ZH) zeugte von regem Interesse. Die anwesenden Zuschauer erlebten eine lebhafte «Arena vor Ort». Gäste aus der Bevölkerung diskutierten über das Resultat der Abstimmung vom 9. Februar, über Konsequenzen und ihre Erwartungen an Politik und Wirtschaft. Den Fragen der Bevölkerung stellten sich unter anderem die Nationalräte Christoph Blocher (SVP) und Cédric Wermuth (SP).
«Zu viele Ausländer» und eine Kugel im Lauf
«Wir haben einfach zu viele Ausländer», sagt Mirjam Zürcher aus Wald (ZH). Deshalb habe sie Ja gestimmt. Patrick Plattner aus Gelterkinden (BL) hat am 9. Februar hingegen Nein gestimmt. Er stehe für die anderen 49,7 Prozent und klagt: «Die Schweiz hat russisches Roulette gespielt und die Kugel ist jetzt im Lauf.» Er habe Angst, dass die bilateralen Verträge nun zerstört werden.
Ein Schock war das Abstimmungsresultat für SP-Nationalrat Wermuth. Diesen habe er aber nun verkraftet und warnt: «Dem Land wird der Schock später noch in die Knochen fahren.» Gemäss SVP-Vizepräsident Christoph Blocher haben die negativen Folgen aber bereits früher eingesetzt. «Mit der Personenfreizügigkeit hat die Schweiz das Heft aus der Hand gegeben», sagt er.
Fremdenfeindlich oder selbstbestimmt?
Die Gründe für das Ja waren vielfältig. Judith Bertschi ist Englischlehrerin aus Illnau. Sie sieht sich als Weltbürgerin und hat viele ausländischen Freunde. Diese fragten nun: «Seid ihr fremdenfeindlich?» Christoph Blochers Antwort ist da eindeutig: «Weder unsere Partei, noch die Schweiz ist fremdenfeindlich.»
Nicht nur Schweizerinnen und Schweizer debattierten engagiert in der «Arena vor Ort», mit dabei waren auch Ausländerinnen und Ausländer. Ruža Studer aus Feuerthalen (ZH) ist in Kroatien geboren. Ihr Vater kam als Saisonnier in die Schweiz. Deshalb habe sie als Kind ihren Vater jeweils nur für kurze Zeit gesehen. Christoph Blocher hat Verständnis, dass diese Situation schwer gewesen sein muss. Aber: «Es kann einfach nicht die ganze Welt kommen.»
Mitdiskutiert haben auch Gäste, die aus Deutschland in die Schweiz zugewandert sind. Torsten Maywald aus Fehraltdorf (ZH) zum Beispiel. Seit Kurzem hat er die Schweizer Staatsbürgerschaft. Am 9. Februar ging er zum ersten Mal abstimmen und zwar für die SVP-Initiative. «Ich habe mich für eine selbstbestimmte Schweiz entschieden», sagt Maywald.
Marco Höfle kommt ebenfalls aus Deutschland, lebt nun in Brunegg (AG). Unternehmen seien in der Schweiz hochwillkommen, sagt er. Der ausländische Arbeiter aber müsse draussen bleiben. Hätte er abstimmen dürfen, wäre sein Entscheid klar gegen die Initiative ausgefallen.
«Entscheid korrigieren»
Ein gewichtiger Diskussionspunkt war der Inländervorrang. In Zukunft sollen offene Stellen nur dann an Zuwanderer vergeben werden, wenn sich kein inländischer Arbeitnehmer finden lasse. Für Jacqueline Zürcher, Verkäuferin aus Süderen (BE) genau die richtige Strategie: «Es ist doch viel einfacher, im Ausland Arbeitskräfte zu holen. Die arbeiten günstiger.» Sie selber sei arbeitslos und werde wohl bald zu einem Sozialfall, da sie keine Stelle finde.
Cédric Wemuth sieht die Schuld dafür aber nicht bei sich: «Ihr Problem wurde von den bürgerlichen Parteien verursacht.» Es dürfe nicht sein, dass ein Schweizer Arbeitsplatz durch einen günstigeren Ausländer ersetzt werde.
Rickli will keine neue Abstimmung
Für Diskussionen sorgte auch die Umsetzung der Initiative. Der neue Verfassungstext spricht von «Kontingenten und Höchstzahlen». Cédric Wermuth sieht da schwarz: «Kontingente werden wir nie und nimmer akzeptieren.» Damit schaffe man eine Zweiklassengesellschaft. Das ist dem SP-Politiker ein Dorn im Auge. «Wir müssen den Entscheid vom 9. Februar korrigieren», wirft er in die Runde.
Wie die SP mit dem Volksentscheid umgehe, ist für Nationalrätin Natalie Rickli (SVP/ZH) unverständlich. «Ich bin enttäuscht von euch», entgegnet sie. Eine Wiederholung der Abstimmung kommt für Rickli nicht in Frage.
Die knapp 170 Zuschauer konnten eine lebhafte und engagierte Diskussion mitverfolgen. Die dreizehn Gäste aus der Bevölkerung scheuten sich nicht, auch kritische Voten zu platzieren und hätten wohl am liebsten noch die ganze Nacht weiterdiskutiert.