In einer öffentlichen Beratung hat das Bundesgericht am Morgen entschieden, dass das Tragen eines Kopftuchs während des Unterrichts erlaubt ist. Das Verbot verletze die Religionsfreiheit und sei unverhältnismässig. Der Entscheid fiel mit vier gegen eine Stimme.
Vergeblich pochte der unterlegene Richter darauf, dass Gesetze für alle gelten müssten und dass bei anderen Vorschriften auch keine Ausnahmen aus religiösen Gründen bewilligt würden. Die Mehrheit sah keinen Grund, warum an öffentlichen Schulen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen gelten sollte.
Nur eine konkrete Gefahr für den Religionsfrieden oder Sicherheitsargumente könnten Ausnahmeweise ein Kopftuchverbot nötig machen, urteilt das Bundesgericht.
Wie SRF-Korrespondent Sascha Buchbinder gegenüber SRF News berichtet, waren Familienangehörige bei der Urteilsverkündung nicht anwesend. Nur die Anwältin sei erschienen.
Stofftuch beschäftigt die Gerichte
Hintergrund des Urteils ist ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der Schulgemeinde St. Margrethen und einem Mädchen muslimischen Glaubens. Das Mädchen erschien nach den Sommerferien mit einem Kopftuch im Unterricht. Die Schulgemeinde händigte dem Vater des Mädchens noch am gleichen Tag eine Verfügung aus. Das Bildungsdepartement stützte diesen Entscheid. Das St. Galler Verwaltungsgericht hob das Verbot allerdings wieder auf.
Bundesverfassung schützt Kopftuch
Das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen wird durch die in der Bundesverfassung verankerte Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt.
Auch religiös motivierte Bekleidungsvorschriften sind vom Schutz des Artikel 15 der Bundesverfassung erfasst, wie das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten hat.
Zweiter Kopftuch-Entscheid in der Ostschweiz
Ein Kopftuchverbot muss entweder durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt werden oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter. Zudem muss eine allfällige Beschneidung des Rechts verhältnismässig sein. In dem vorliegenden Fall sieht das Bundesgericht diese Verbotsgründe als nicht erfüllt.
Das Bundesgericht hat schon im Juli 2013 einen ähnlichen Fall behandelt. Damals ging es um zwei Mädchen in der Gemeinde Bürglen (TG), die ebenfalls das islamische Kopftuch während des Unterrichts tragen wollten. Das Bundesgericht sah die Voraussetzungen für ein Verbot als nicht erfüllt an.