Der Bundesrat lehnt die Durchsetzungsinitiative der SVP ab. Und zum ersten Mal überhaupt will er einen Teil einer Initiative für ungültig erklären. Seiner Meinung nach verstösst ein Satz des Volksbegehrens, das die Ausschaffungsinitiative direkt in der
Verfassung umsetzen will, gegen zwingendes Völkerrecht.
Die Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» verstosse gegen grundlegende Prinzipien unseres Rechtsstaats. Ausserdem sei sie für die Umsetzung der Verfassungsbestimmungen zur Ausschaffung nicht nötig. So argumentiert der Bundesrat.
Die Ausschaffungsinitiative der SVP haben Volk und Stände vor drei Jahren angenommen. Bei der Umsetzung harzt es, weil die Initiative im Konflikt steht mit dem Recht auf Familienleben und anderen völkerrechtlichen Bestimmungen. Um Druck zu machen, hat die SVP Ende 2012 die Durchsetzungsinitiative eingereicht. Diese listet im Detail auf, bei welchen Delikten ein Ausländer oder eine Ausländerin die Schweiz verlassen muss. Richter müssen den Landesverweis neben der Strafe automatisch aussprechen, sofern nicht zwingendes Völkerrecht verletzt wird.
Definition unvollständig
Die Durchsetzungsinitiative definiert den Umfang des zwingenden Völkerrechts auch gleich selber: «Als zwingendes Völkerrecht gelten ausschliesslich das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffkrieges, der Sklaverei sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen», heisst es im Text.
Darin liegt die Crux, denn das zwingende Völkerrecht verbietet die Rückschaffung auch dann, wenn der betroffenen Person Gefängnis oder unmenschliche Behandlung drohen. Indem die Durchsetzungsinitiative den Begriff des zwingenden Völkerrechts zu eng definiert, verstösst sie nach Auffassung des Bundesrats ihrerseits gegen zwingendes Völkerrecht.
Die Schweiz könne zwingendes Völkerrecht nicht einfach umdefinieren, schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung vom Mittwoch. Die Volksinitiative solle deshalb für teilungültig erklärt und Volk und Ständen ohne die Definition des zwingenden Völkerrechts zur Abstimmung unterbreitet werden.
Wortgetreue Umsetzung
Offen ist, ob das Parlament je über die Gültigkeit der Durchsetzungsinitiative befinden muss. Anders als der Bundesrat, der einen gewissen Spielraum bei der Abwägung beibehalten möchte, will die vorberatenden Kommission des Nationalrats die Ausschaffungsinitiative wortgetreu im Gesetz umsetzen. In diesem Fall könnte die SVP die Durchsetzungsinitiative zurückziehen.
«Es bleibt ein sehr ungutes Gefühl», sagt SRF-Bundeshauskorrespondent Hanspeter Trütsch in der Tagesschau: «Die SVP fordert eine neue Initiative. SP und CVP können damit leben. Die FDP ist der Meinung, dass Volksrechte nicht beschränkt werden dürfen. Das wird eine ganz schwierige Situation werden für die parlamentarische Diskussion wie auch für die kommende Volksabstimmung.»
Bisher hat das Parlament erst vier Initiativen für ungültig erklärt: 1955 die Initiative für eine Rüstungspause, 1977 die Initiative gegen Teuerung und Inflation, 1996 die Initiative für eine vernünftige Asylpolitik und zuletzt 1995 die Initiative für weniger Militärausgaben und mehr Friedenspolitik. Noch nie wurde hingegen eine Initiative teilweise ungültig erklärt.