Der Bundesrat folgt dem Parlament und empfiehlt, die Durchsetzungsinitiative der SVP am 28. Februar abzulehnen. Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga begründete die Ablehnung vor den Medien damit, dass das Begehren Grundregeln der Demokratie und des Rechtsstaates in Frage stelle. Zudem umgehe sie das Parlament und schränke die Gerichte ein.
Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, angenommene Initiativen umzusetzen. Diesen Auftrag habe das Parlament inzwischen erfüllt, sagte Sommaruga. Schon zwei Jahre nach Annahme ihrer Ausschaffungsinitiative hatte die SVP jedoch die Durchsetzungsinitiative eingereicht, weil es ihrer Meinung nach mit der Umsetzung nicht rasch genug voranging.
Bruch der Gewaltenteilung
Bei einer Annahme wäre das Volksbegehren direkt anwendbar, brauchte also nicht mehr in ein Gesetz gefasst werden. Das bringt grosse Umsetzungsprobleme mit sich. Hans-Jürg Käser, Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, warnte vor einem «Chaos». Die Kantone hätten weder das Personal noch die Infrastruktur, um die Ausschaffungsregeln direkt umzusetzen.
Sommaruga erklärte ausserdem, dass mit dem Ausschaffungs-Automatismus die zentrale Aufgabe der Gerichte entfiele, ein dem Einzelfall angemessenes Urteil zu fällen. Das Volk würde so zum Gesetzgeber und auch gleich zum Gericht, was einen Bruch der Gewaltenteilung darstelle, sagte die Bundespräsidentin.
«Mit dieser Initiative sollen jetzt neu auch Ausländerinnen und Ausländer, die ein Bagatelldelikt begangen haben automatisch ausgeschafft werden – ohne dass sich ein Richter dazu äussern kann.»
Unsicherheit belastet Wirtschaft
Die Bundespräsidentin warnte auch vor zusätzlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Sie erinnerte daran, dass die «Durchsetzungsinitiative» im Konflikt steht mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Eine Annahme der Initiative würde die Verhandlungsposition mit der EU noch einmal schwächen und die Beziehungen zusätzliche Belasten, betonte Sommaruga. Es würde unsere Position noch einmal schwächen. Das würde die Beziehungen zusätzlich belasten mit der EU.
Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention
Nicht nur das: «Wir würden auch in Konflikt geraten mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das heisst letztlich Rechtsunsicherheit und weniger Stabilität und das sind eigentlich die Trümpfe unseres Landes.»
Allerdings sind auch bei der vom Parlament verabschiedeten Umsetzung der Ausschaffungsinitiative Probleme nicht ganz ausgeschlossen. Vorgesehen sind automatische Ausschaffungen bei schweren Delikten, wobei die Gerichte dank einer Härtefallklausel die besondere Situation jener Ausländer berücksichtigen können, die in der Schweiz geboren sind. Die Initianten der Durchsetzungsinitiative wollen auch mit diesen rigoros verfahren.
Wie stark würde die Zahl der Ausweisungen steigen?
Im Wiederholungsfall würden schon Bagatelldelikte für eine Ausschaffung ausreichen. Gemäss Berechnungen des Bundesamts für Statistik würden mit der Umsetzungsvarianten des Parlaments jährlich knapp 4000 Personen des Landes verwiesen, bei Annahme der Durchsetzungsinitiative wären es rüber 10'000.
Diese Zahlen seien jedoch mit grossen Unsicherheiten behaftet, sagte Martin Dumermuth, Direktor des Bundesamts für Justiz. «Was die Gerichte entscheiden, kann heute nicht prognostiziert werden.» Das Bundesgericht hatte schon 2012 angekündigt, sich unter Umständen über einen Automatismus hinwegzusetzen.