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Schweiz Bundesstrafgericht verurteilt Hervé Falciani zu fünf Jahren Haft

Das Bundesstrafgericht hat den früheren HSBC-Mitarbeiter Hervé Falciani wegen Wirtschaftsspionage zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Falciani als «Whistleblower» zu bezeichnen, sei eine Beleidigung dieser Informanten, argumentierte die Bundesanwaltschaft.

Das Urteil des Bundesstrafgerichts in Bellinzona gegen den ehemaligen HSBC-Informatiker Hervé Falciani liegt ein Jahr unter dem geforderten Strafmass der Bundesanwaltschaft. Die Verteidigung verlangte vergeblich eine bedingte Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren.

Ein nachdenklicher Hervé Falciani.
Legende: Der angeklagte HSBC-Mitarbeiter Hervé Falciani war am Prozess nicht anwesend. Reuters

Urteil in Abwesenheit des Angeklagten

Das Gericht befand Falciani des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes schuldig. Von den weiteren Vorwürfen, darunter Verletzung des Geschäftsgeheimnisses, wurde er freigesprochen. Der frühere Informatiker der Bank HSBC war der Gerichtsverhandlung ferngeblieben und kam auch nicht zur Urteilsverkündung.

Aktuell lebt der französisch-italienische Doppelbürger in Frankreich. Er kann deshalb nicht an die Schweiz ausgeliefert werden. Das Urteil kann er ans Bundesgericht weiterziehen.

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«Ein hartes Urteil»

Die Chance, dass Falciani seine Strafe auch tatsächlich absitzen muss, ist laut SRF-Tessin-Korrespondent Alexander Grass «relativ gering»: «Als italienischer und französischer Doppelbürger wäre Falciani im Falle einer definitiven Verurteilung in diesen Staaten ein freier Mensch.»

Anders könnte sich die Situation in Staaten gestalten, die mit der Schweiz ein Auslieferungsabkommen haben. Falciani würde sich künftig wohl gut informieren, wohin er noch reisen kann, so Grass.

Grundsätzlich spricht Grass von einem harten Urteil: «Wer die Verhandlungen und vor allem auch die Begründung des Richters verfolgt hat, ist aber nicht überrascht.» Das Gericht habe Falciani eine besondere Schwere der Tat und grosse kriminelle Energie angelastet, so Grass.

Kein «weisser Ritter»

Falciani als «Whistleblower» zu bezeichnen, sei eine Beleidigung dieser Informanten, hatte Carlo Bulletti, der Vertreter der Bundesanwaltschaft, in seinem Plädoyer vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona argumentiert. Die Darstellung Falcianis als «weisser Ritter» sei ein Lügengespinst.

Gegenüber Radio SRF zeigt sich Bulletti zufrieden mit dem Urteil: «Wirtschaftlicher Nachrichtendienst ist nach wie vor strafbar. Egal, was die Motive sind. Und insbesondere, wenn die ganze Whistleblower-Geschichte ein einziger Lügenhaufen ist.» Auch wenn Falciani im Ausland weile, sei es wichtig gewesen, ein Zeichen zu setzen.

Auch der zuständige Richter habe Falciani die Rolle des Robin Hood nicht abgekauft, so Tessin-Korrespondent Grass: «Die einzige Motivation, die der Richter erkannte, war der Profit.»

Motiv Geldgier

Der Angeklagte habe aus Geldgier gehandelt, und nicht weil er Whistleblowing begehen wollte, betonte Bulletti nach der Urteilsverkündung gegenüber SRF News:

«Er hat ganz klar die Daten an Banken verkaufen wollen, damit diese Banken ihrerseits die Kunden abwerben können. Er hat nicht versucht, irgendwelche Missstände aufzudecken – im Gegenteil. Er hat das Fortdauern dieser Missstände produziert, indem er die Daten an Banken verkaufen wollte. Und als das nicht gelungen ist, wollte er sie an entsprechende Nachrichtendienste weiterleiten.»

Daten im Umfang von 5200 Bundesordnern

Der amtliche Verteidiger Falcianis, Marc Henzelin, hatte dagegen eine bedingte Freiheitsstrafe gefordert. Der Angeklagte habe leichten Zugang zu einer enormen Menge von Daten seiner Arbeitgeberin gehabt. Man habe es nicht mit einem «Spion» zu tun, der versucht habe, Codes zu knacken um an Daten zu kommen, sagte der Verteidiger in der Hauptverhandlung.

Hervé Falciani arbeitet mehrere Jahre lang bis 2008 als Informatiker bei der britischen Grossbank HSBC. In der Genfer Niederlassung soll der französisch-italienische Doppelbürger Bankdaten im Umfang von 5200 Bundesordnern gestohlen und später verschiedenen Staaten angeboten haben, so die Anklage der Bundesanwaltschaft. Der Fall schlug in der Folge riesige Wellen und sorgte zeitweise gar für Verstimmungen zwischen der Schweiz und Frankreich.

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