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Aus Rundschau vom 28.06.2017.
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Eisen-Boom Das Geschäft mit der Müdigkeit

Immer mehr Ärzte tanken vor allem Patientinnen mit flüssigem Eisen auf. Kasse macht dabei die Firma Vifor Pharma, Schweizer Monopolist bei intravenösen Eisenpräparaten. Sie wirbt für ihre Produkte möglicherweise nicht gesetzeskonform, wie Recherchen der «Rundschau» zeigen. Swissmedic prüft den Fall.

Sie sind schlapp, unkonzentriert, müde? Gut möglich, dass Ihr Arzt Ihnen Eisen verschreibt. In der Schweiz boomen die Eiseninfusionen. Die Ärzte verrechneten bei den Krankenkassen im letzten Jahr fast 70 Prozent mehr Packungen an Eiseninfusionen als noch 2010. Die Medikamente heissen Ferinject und Venofer und stammen beide von der Schweizer Firma Vifor Pharma.

«Eisenärzte» ignorieren Grenzwerte

Volkskrankheit Eisenmangel? Einen wichtigen Hinweis, ob der Eisen-Speicher leer ist, kann der Ferritin-Spiegel im Blut geben. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist der Eisen-Speicher dann leer, wenn dieser Wert unter 15 Mikrogramm pro Liter sinkt. Bisher haben zwei Studien untersucht, ob intravenöses Eisen bei müden, aber ansonsten gesunden Patientinnen nützt. Beide Studien zeigen nicht eindeutig, dass Eiseninfusionen bei einem Ferritin-Wert über 15 nützen. Die Wirkung bei höheren Werten ist umstritten.

Viele Schweizer Ärzte, allen voran solche, die sich selbst als «Eisenärzte» bezeichnen, ignorieren den Grenzwert 15 und verabreichen auch Patienten mit deutlich höherem Ferritin-Spiegel Eiseninfusionen. Vor allem dann, wenn sich diese sich müde fühlen.

Eisen gegen ADHS

Einer davon ist Peter Meyer aus Zürich. Er sagt: «Die Symptome verschwinden meist, wenn die Frauen einen Ferritin-Wert von über 100 haben». Dieser Wert sei provokativ, aber er stimme, sagt Meyer gegenüber der «Rundschau». Er setzt auf seine Praxis und die seiner Eisen-Kollegen.

In seinem Eisenzentrum behandelt Meyer die Patientinnen mit intravenösem Eisen solange, bis die Symptome verschwunden sind. Auch Kinder gehören regelmässig zu seinen Patienten. «Wir versuchen auch bei den Kindern über 100 Ferritin zu gehen und dann schauen wir, was möglich ist, rauszuholen». Meyer sagt, er mache damit gute Erfahrungen, vor allem bei Kindern mit Konzentrationsproblemen oder der Diagnosen ADHS.

Ernsthafte Nebenwirkungen

Als gefährlich bezeichnet dies Thomas Rosemann, Direktor des Institutes für Hausarztmedizin an der Universität Zürich. Er sagt: «Das ist eine unärztliche Haltung, (…) Eisen an sich ist ein sehr reaktives Molekül und kann akut zu Problemen führen.» Das gehe bis hin zu allergischen Schocks oder gar Todesfällen.

Bei Swissmedic gingen 2012 – 2016 über alle Patientengruppen hinweg 683 Meldungen ein zu Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Eiseninfusionen. Dies, laut Vifor Pharma bei geschätzt zwei Millionen Anwendungen.

Knapp zwei Drittel davon waren ernsthaft.

Laut Swissmedic gab es seit 2012 vier Meldungen zu Todesfällen im Zusammenhang mit intravenösem Eisen von Vifor Pharma.

Nur bei einem sieht Swissmedic die Eiseninfusion als wahrscheinliche Todesursache. Vifor Pharma betont, dies sei eine schwerkranke Patientin gewesen. Kein Todesfall betraf eine gesunde, müde Person.

Marketing mit «Iron Academy»

Rosemann kritisiert die Herstellerfirma des intravenösen Eisens scharf. Vifor Pharma, die ein schweizweites Monopol auf intravenösem Eisen habe, sorge mit geschicktem Marketing dafür, dass in der Schweiz so viel Eisen verschrieben werde. «Die Firma Vifor hat es auf geniale Art und Weise geschafft, häufige Alltagssymptome wie Müdigkeit oder Abgeschlagenheit, geringe Depressivität und so weiter quasi zu Krankheiten zu erklären». Dann biete sie den Ärzten eine lukrative Therapie an.

Beispiel dafür sei die «Iron Academy», eine jährlich stattfindende wissenschaftliche Veranstaltung für Fachpersonen. Die Firma widerspricht gegenüber der «Rundschau»: Die «Iron Academy» habe keinen werberischen Charakter, sondern diene ausschliesslich der Information von Ärztinnen und Ärzten zum aktuellen Stand der Wissenschaft.

Nicht gesetzeskonforme Arzneimittelwerbung?

Um über das Thema Eisenmangel zu informieren, betreibt Vifor die Website «Check-dein-Eisen.ch». Darauf zeigen unter anderem Models wie Melanie Winiger, dass Eisenmangel Ursache für Symptome wie Müdigkeit, depressive Verstimmung oder Haarausfall sein kann.

Juana Vasella im Interview.
Legende: Gemäss Juana Vasella könnte es Punkte geben, welche die Arzneimittelwerbeverordnung verletzen. SRF

Juana Vasella, Rechtsanwältin und wissenschaftliche Oberassistentin an der Universität Luzern, sagt, mit dieser Website bewege sich die Firma noch im rechtlichen Rahmen. Im Vordergrund stehe die Information über das Thema Eisenmangel und nicht die Werbung.

Heikler sei die Seite «iron.Medline.ch». Eine Informationsplattform für Ärztinnen und Ärzte zum Thema Eisenmangel. Auch diese ist von Vifor Pharma finanziell unterstützt und sie ist mit «Check-dein-eisen.ch» verlinkt. Für Vasella ist klar: «Auf dieser Seite habe ich mehrere Punkte gefunden, die aus meiner Sicht nicht konform sind mit der Arzneimittelwerbeverordnung».

Zum Beispiel richte sich die Seite an Ärzte, sei aber nicht passwortgeschützt und das verschreibungspflichtige Produkt Ferinject werde namentlich erwähnt. Juana Vasella sagt, abschliessend müsse die Swissmedic den Fall beurteilen, aber ihrer Meinung nach sei hier die Arzneimittelwerbeverordnung verletzt.

Swissmedic wird aktiv

Der Fall liegt laut «Rundschau»-Recherche jetzt auf dem Tisch von Swissmedic. Diese prüft, ob sie ein Verfahren gegen Vifor Pharma einleiten wird.

Josef Troxler, General Manager Switzerland von Vifor Pharma sagt im Interview mit der «Rundschau»: «Es steht Aussage gegen Aussage, wir werden das prüfen und dann werden wir schauen, ob es Handlungsbedarf gibt.» Die hauseigenen Juristen hätten keine Werbung festgestellt, die nicht gesetzeskonform sei.

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