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Schweiz Der Mann, der Burka-Bussen bezahlt

Wenn in Frankreich eine Frau für das Tragen einer Burka gebüsst wird, greift Rachid Nekkaz gerne zum Portemonnaie. Auch in der Schweiz will der algerische Unternehmer für solche Bussen aufkommen. Im Interview spricht er über seine Beweggründe und warum er eigentlich gegen das Tragen von Burkas ist.

Wir diskutieren in der Schweiz eine Volksinitiative zum Verbot des Vollschleiers. Weshalb wollen Sie künftig allen verhüllten Frauen die Busse bezahlen?

Rachid Nekkaz: Wissen Sie, ich habe Geschichte und Philosophie an der Sorbonne studiert, wo ich gelernt habe, dass der Grundsatz der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit universelle Prinzipien sind. Wenn ich diesen grossen Kontinent sehe, der weltweit bekannt ist dafür, die Grundsätze der Religionsfreiheit und der Meinungsäusserungsfreiheit zu verteidigen – wenn ich diesen schönen Kontinent sehe, der Angst hat vor einer kleinen Minderheit von friedlichen, muslimischen Frauen, dann will ich meinen europäischen und unseren Schweizer Freunden sagen: Habt keine Angst vor diesen Frauen. Sie stellen keinerlei Gefahr dar. Weder für die innere Sicherheit noch für die Freiheit jedes Einzelnen.

Ich verstehe vollkommen, dass die Schweizer Gesellschaft Angst vor einem Symbol des politischen Islams hat.
Autor: Rachid Nekkaz

Rachid Nekkaz

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Legende: Keystone

2010 gründete der Start-up-Unternehmer einen Fonds, um alle Bussen von Frauen zu bezahlen, die wegen ihrer Verhüllung verurteilt werden. Allein in Frankreich soll der Fonds bereits in rund 1500 Fällen entsprechende Bussen übernommen haben. Ende 2015 kündigte er an, auch entsprechende Bussen im Tessin zu bezahlen.

Der Vollschleier wird von Ihren Gegnern als politisches Symbol betrachtet, als Symbol für eine Ideologie, als Symbol für die Unterdrückung der Frau. Das hat nichts mit Freiheit zu tun.

Wenn Sie nach der Burka in Afghanistan fragen, dann antworte ich: Ja, es ist ein Symbol der Unterdrückung. Aber wenn Sie von den 66 Prozent der konvertierten Frauen in Europa sprechen, welche den Niqab tragen, dann sage ich, dass dies ein Akt des freien Willens ist, und ein persönlicher Entscheid.

Das ist jetzt einfach eine Behauptung. Sowohl die Burka als auch der Niqab verdecken praktisch das ganze Gesicht, und das provoziert viele Leute.

Wenn es in Europa Attentate gäbe, welche von Frauen verübt werden, die den Niqab tragen, dann wäre ich der erste, der sagen würde: man muss den Niqab sofort verbieten! Persönlich bin ich gegen das Tragen von Niqabs oder Burkinis, denn ich glaube nicht, dass es die beste Art ist, sich in die europäische Gesellschaft zu integrieren. Doch wie es der Philosoph Voltaire sagte: Auch wenn ich mit ihnen nicht einverstanden bin, ich werde bis zum Äussersten dafür kämpfen, dass sie ihre Meinung äussern oder ihre Religion leben können.

Die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terror hat ein Klima der Angst geschaffen. Verstehen Sie, dass die Leute Angst haben? Und dass der Vollschleier dafür steht?

Ich verstehe vollkommen, dass die europäische Gesellschaft und die Schweizer Gesellschaft Angst hat vor dem, was ein Symbol für den politischen Islam ist. Aber unsere schweizerischen Freunde müssen verstehen, dass diese Frauen, welche den Niqab zum Beispiel in der Schweiz tragen, dies nicht als Botschafterinnen des IS tun, den man mit grösster Härte und grösster Entschiedenheit bekämpfen muss.

Ich respektiere das Schweizerische Recht, indem ich die Busse bezahle.
Autor: Rachid Nekkaz

Indem Sie die Bussen der angezeigten Frauen bezahlen, die ihr Gesicht verschleiern, respektieren Sie den Rechtsstaat nicht. Sie «neutralisieren» ihn. Ein Gesetz bleibt ohne Wirkung. Das ist sehr gefährlich für einen Rechtsstaat.

Nekkaz und Nora Illi

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Anfang Juli protestierte die Schweizer Konvertitin Nora Illi mit einem Niqab bekleidet in Locarno gegen das Verhüllungsverbot im Tessin. Sekundiert wurde sie dabei von Rachid Nekkaz. Illi kassierte als erste Frau eine Busse wegen Verstosses gegen das Verhüllungsverbot. Nekkaz wurde mit 230 Franken gebüsst, weil er Illi dazu angestiftet haben soll.

Der Rechtsstaat sagt das Folgende: Wenn es ein Delikt gibt, muss eine Busse bezahlt werden. Meine Rolle ist es, die Busse zu bezahlen. Also respektiere ich das Schweizerische Recht vollumfänglich, indem ich die Busse bezahle.

Sie missachten die Demokratie, indem sie allen Frauen die Bussen bezahlen.

Im Gegenteil. Indem ich die Busse bezahle, respektiere ich das Gesetz des Schweizer Kantons und das Gesetz des Schweizerischen Bundesstaats.

Ihre Kritiker sehen das ganz anders. Zudem haben Sie nach dem Anti-Verhüllungsgesetz im Tessin mehrere Pressekonferenzen mit Nora Illi vom Islamischen Zentralrat (IZRS) gegeben – eine sehr umstrittene Frau in der Schweiz. Die Organisation steht dem radikalen Islam nahe. Beunruhigt Sie dies überhaupt nicht?

Wenn die Schweizer Justiz etwas Konkretes gegen diese Organisation einzuwenden hat, liegt es an ihr, die Arbeit zu tun und der Bevölkerung zu zeigen, dass diese Organisation rechtswidrige Dinge tut.

Das Gespräch führte Susanne Wille.

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