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IV-Renten für psychosomatische Leiden
Aus Tagesschau vom 17.06.2015.
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Schweiz «Die neue Regelung wird den Betroffenen gerechter»

Das Bundesgericht bricht mit der pauschalen Annahme, dass psychomatische Schmerzen überwindbar seien und nicht zu einer IV-Rente berechtigten. Der Psychologe Niklas Baer begrüsst das Urteil: Denn jeder Fall müsse individuell betrachtet werden.

SRF News: Herr Baer, begrüssen Sie es grundsätzlich, dass Ärzte nun die Kriterien erarbeiten können, ob ein Mensch arbeitsunfähig ist oder nicht?

Zur Person

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Der Basler Psychologe Niklas Baer ist Leiter der Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation der Psychiatrie Baselland. Er beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit der Arbeitsintegration von Menschen mit psychischen Störungen.

Niklas Baer: Grundsätzlich begrüsse ich das sehr. Nun bekommt die ärztliche Abklärung bei Schmerzpatienten wieder ein stärkeres Gewicht. Das ist wichtig, denn dieses Urteil ist eine grosse Chance – für alle: Die Betroffenen, aber auch die Gesellschaft und die Gültigkeit der Gutachten. Die verschiedenen ärztlichen Abklärungen und Gutachten bezüglich der Arbeitsfähigkeit von psychisch Kranken streuen ziemlich weit. Wenn man künftig gültigere Resultate bekommt – mit klareren Kriterien und einem strukturierten Verfahren – wäre allen geholfen.

Bis zu diesem Urteil galt seit 11 Jahren für alle die gleiche Regel: Schmerzen sind im Normalfall überwindbar. Ausnahmen gab es nur wenige. Jetzt soll jeder Fall individuell nach einem neuen, noch zu erarbeitenden Raster beurteilt werden. Kann man zusammengefasst sagen: Das neue Urteil wird den betroffenen Menschen gerechter?

Davon gehe ich aus. Die pauschale Vermutung, dass alle Menschen, die diese Krankheit haben, diese auch überwinden können, fällt weg.

Denn so einfach ist es nicht. Die Arbeitsfähigkeit ist nicht 1:1 an eine Diagnose gebunden. Es gibt Personen, die etwa eine Schizophrenie haben und arbeiten können. Andere wiederum nicht. Dasselbe gilt für alle anderen Diagnosen. Die individuelle Beurteilung wird den Betroffenen gerechter.

Wie schwierig ist es festzustellen, ob jemand arbeitsfähig ist oder nicht?

Das ist tatsächlich nicht einfach. Die Defizite und die Symptome – also, die Dinge, die die betroffene Person bei der Arbeit nicht mehr erledigen kann – spielen eine Rolle.

Mehrkosten für die IV?

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Politiker wie CVP-Nationalrätin Ruth Humbel befürchten nun Mehrkosten für die IV. Deren Direktor Stefan Ritler kann dies in einer ersten Stellungnahme allerdings nicht bestätigen. Immerhin ist er froh über das Urteil: Nun könne wieder der Einzelfall geprüft werden. Hören Sie den Beitrag aus «Echo der Zeit».

Dazu kommt der Schweregrad und der Verlauf der Erkrankung. Sind bereits Therapien und Eingliederungsbemühungen gescheitert, obwohl sie gut durchgeführt wurden?

Auch die Persönlichkeit der Versicherten spielt eine sehr grosse Rolle. Das alles ist nicht einfach zu fassen. Wie erwerbsfähig eine Person ist, hängt schliesslich auch davon ab, wie sie stark sie unterstützt wird. Auch sehr schwer Kranke können teilerwerbsfähig sein, wenn man sehr viel für sie macht.

Die medizinischen Fachgesellschaften sollen jetzt Leitlinien aufstellen, nach denen festgestellt werden kann, ob eine Schmerzstörung vorliegt und ob ein Mensch damit arbeiten kann. Wie werden diese Leitlinien erarbeitet?

Darauf bin ich selbst gespannt. Man kann sicher sagen, dass es kein einfaches Unterfangen wird. Das ist aber auch die Chance: Dass man fachlich in der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit generell weiterkommt, nicht nur bei der Beurteilung von Schmerzstörungen. Wichtig ist, dass die Fachgesellschaften diese Aufgabe unter Berücksichtigung anderer Spezialisten interdisziplinär angehen.

Das Gespräch führte Ivana Privakovic.

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