Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hat die europäische Asylpolitik kritisiert. Europa bezahle den Preis für Versäumnisse in der Vergangenheit, sagte sie vor den Medien in Bern. Für besondere Situationen gebe es keine Instrumente.
Sommaruga sprach von einem «politischen Versagen» auf europäischer Ebene. Nun brauche es gemeinsame Anstrengungen. Es gebe keine nationalen Antworten auf dieses europäische Problem. «Wir können es uns nicht leisten, von Notfall zu Notfall zu stolpern», sagte die Bundespräsidentin.
Die Schweiz begrüsst einen europäischen Verteilschlüssel
Der Bundesrat befürworte eine solidarische Verteilung von Schutzbedürftigen innerhalb von Europa und habe sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, dass sich die Schweiz an einer solchen Verteilung beteilige.
Die Schweiz beteiligt sich am EU-Programm zur Umverteilung von 40‘000 Schutzbedürftigen. Der Bundesrat hat entschieden, dass die Schweiz bis zu 1500 Personen aufnimmt, die in Italien und Griechenland registriert wurden.
Bedingung ist, dass die Dublin-Verpflichtungen eingehalten werden, wie es in einer Mitteilung des Bundesrats heisst. Die 1500 Personen werden an das Kontingent zur Aufnahme von 3000 schutzbedürftigen Personen angerechnet, das der Bundesrat schon letzten März beschlossen hat.
Falls sich die EU auf die Verteilung von 120'000 weiteren Flüchtlingen einigen kann, soll sich die Schweiz unter Umständen auch an diesem Programm beteiligen. Der Bundesrat hat das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ermächtigt, entsprechende Zusicherungen zu machen.
«Ein Verteilschlüssel ist auch in unserem Interesse», sagte Sommaruga. «Man stelle sich vor, die Schweiz hätte plötzlich einen starken Anstieg von Asylgesuchen.» Es sei aber auch eine ethische Frage. Die Schweiz wolle ihren Beitrag leisten.
Keine systematischen Grenzkontrollen
Sommaruga sprach auch die Situation in der Schweiz an. Diese sei bisher nicht von den grossen Flüchtlingsbewegungen betroffen, sagte sie. Die Situation sei stabil.
Der Bund gehe nicht davon aus, dass es zu einem plötzlichen starken Anstieg der Gesuche komme, könne das aber auch nicht völlig ausschliessen.
Deshalb bereite er sich im Sinne einer Eventualplanung auch auf diese Situation vor. Systematischen Grenzkontrollen oder gar Grenzschliessungen seien dagegen weder sachlich angezeigt noch rechtlich begründet.
Bis zu 270 Millionen für Hilfe vor Ort
Laut Sommaruga hat sich der Bundesrat intensiv mit der grössten Flüchtlingskrise seit dem zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt. Dass derzeit so viele Flüchtlinge nach Europa gelangen wollten, hänge damit zusammen, dass die Grundversorgung der Menschen in Syrien und dessen Nachbarländern nicht mehr gewährleistet sei. Auch die Türkei stosse an Grenzen.
Die bisherige finanzielle Hilfe der Schweiz in Syrien, Libanon, Jordanien und Irak beläuft sich auf 198 Millionen Franken seit Ausbruch der Krise 2011. Mit den zusätzlichen 70 Millionen soll die Versorgung in den Flüchtlingslagern und Gaststaaten verbessert und gleichzeitig der Druck auf die Flüchtlinge weiterzuwandern abgefedert werden.
Geld für unterfinanzierte Hilfsprogramme
Mit dem zusätzlichen Geld sollen die unterfinanzierten Programme des Welternährungsprogramms (WFP), des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) oder das IKRK unterstützt werden, erklärte Aussenminister Didier Burkhalter. Das Geld soll vor allem im Krisenherd rund um Syrien und Irak eingesetzt werden, aber auch am Horn von Afrika.
Zudem sollen Aktivitäten der Schweiz finanziert werden, etwa der Aufbau von Schulen in den Flüchtlingslagern oder politische Bemühungen um einen Frieden in der Region. Ein solcher Prozess könne aber nur gelingen, wenn alle Akteure an einem Tisch sässen, betonte Burkhalter.
Bundesrat Burkhalter hatte schon Anfang Woche eine weitere Runde von Syrien-Gesprächen in Genf in Aussicht gestellt, vielleicht im November.