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Schweiz «Die Schweiz wird versuchen, die Bilateralen zu erhalten»

Der Bundesrat plant, die Zuwanderung mittels Kontingenten und einer Schutzklausel zu steuern. Wie sieht die EU diese Umsetzungspläne? Dazu hat sich Andreas Schwab geäussert. Der Europapolitiker hofft auf eine pragmatische Lösung.

SRF News: Was passiert, wenn die Schweiz einseitig Kontingente einführt?

Andreas Schwab: Die Schweiz hat die Bilateralen Verträge völkerrechtlich ratifiziert. Sie darf also nach geltendem Recht keine einseitigen Massnahmen ergreifen, wenn sie nicht die Gesamtmassnahmen im Rahmen der Bilateralen in Frage stellen will. Deshalb glaube ich, dass die Schweiz dies nicht tun wird. Sie wird versuchen, die Bilateralen Verträge zu erhalten und eine pragmatische Lösung zu finden.

An einer Veranstaltung in Basel sagten Sie, die EU könne möglicherweise mit Worten Brücken bauen. Wie haben Sie das gemeint?

Mit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative wollten viele Bürger in der Schweiz ein gewisses Unwohlsein mit der Einwanderung zum Ausdruck bringen. Die Bilateralen Verträge lassen schon heute zu, dass im gemischten Ausschuss, in dem neben allen anderen europäischen Partnern auch die Schweiz sitzt, darüber gesprochen werden kann, was für Massnahmen getroffen werden können. Ich glaube, dass es letztlich in den Mitgliedstaaten der EU, aber auch innerhalb der Schweiz, einfach einen erheblichen Abstimmungsbedarf zwischen der Zuwanderung in den einzelnen Kantonen und Städten, dem Familiennachzug, der Zuwanderung aus Drittstaaten oder aus der EU gibt. Diesbezüglich wurde sehr vieles in einen Topf geworfen. Hier muss auch innerhalb der Schweiz klargestellt werden, was eigentlich das Problem ist, und von welchen anderen Elementen die Schweiz womöglich eher profitiert.

Zuwanderung aus der EU oder aus Drittstaaten: Es wurde sehr Vieles in einen Topf geworfen.

Andreas Schwab

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Andreas Schwab
Legende: Imago

Der Jurist ist Europa-Abgeordneter der CDU für das Bundesland Baden-Württemberg und Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Er ist zudem Mitglied der Delegation für die Beziehungen zur Schweiz, zu Island und Norwegen sowie zum Gemischten Parlamentarischen Ausschuss des EWR.

Sie sprechen von einem gewissen Unwohlsein – auch gegenüber der EU. Das hat sich auch in Grossbritannien gezeigt. Ändert sich mit dem Brexit etwas bei der EU?

Ich glaube, es ist nicht erst seit der Abstimmung über den Brexit klar und deutlich, dass viele Bürger nicht erkennen können, was die EU für sie konkret tut. Aber die EU, das sind wir ein stückweit alle. Alle Bürger, die in Europa leben – zumindest in den Mitgliedsländern der EU – sind die Europäische Union. Deshalb ist es nicht einfach eine Aufgabe, die man nach Brüssel delegieren kann, sondern wir müssen uns alle fragen, wie wir die Zuständigkeiten der EU so verbessern können, dass der normale Bürger sieht, was die EU für ihn und für sie tut. Dabei gibt es erheblichen Nachholbedarf. Und darüber wird man in den nächsten Wochen auch intensiv diskutieren müssen.

Es gibt Signale aus der EU, man habe Verständnis für die schwierige Situation der Schweiz. Möglicherweise gebe es eine Zwischenlösung. Können Sie das bestätigen?

Ich kann nur bestätigen, dass die EU ein Interesse daran hat, dass wir auch in Zukunft konstruktiv mit der Schweiz zusammenarbeiten. Aber Interesse an der Zusammenarbeit bedeutet gleichzeitig auch, dass wir natürlich einfordern müssen, dass die von der Schweiz ratifizierten Bilateralen Verträge eingehalten werden. Und dass sie alle entfallen, wenn sie nicht eingehalten werden, und dass man dann eine neue Grundlage aushandeln muss. Und auch, dass die Schweiz vorsichtig sein muss und versuchen sollte, eine pragmatische Lösung anzustreben.

Die EU muss einfordern, dass die von der Schweiz ratifizierten Bilateralen Verträge eingehalten werden.

Ist die Vorsicht gegenseitig? Gibt es etwa eine Möglichkeit, dass die Schweiz länger Zeit erhält, um eine solche Lösung zu präsentieren; eine Übergangsfrist?

Auf der Zeitachse gibt es immer Möglichkeiten, Lösungen zu suchen. Das Schwierige sind die Fakten der Grundfreiheiten, die für die Europäische Union ein Wesensmerkmal sind, welches wir nicht einseitig ausser Kraft setzen wollen.

Das Gespräch führte Dieter Kohler.

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