SRF: Wieso ist Italienisch bei Schweizer Schülerinnen und Schülern nicht mehr so beliebt?
Isabelle Bichsel: Einen wichtigen Grund sehe ich darin, dass vor 20 Jahren italienisch im Alltag viel erlebbarer war. Das war bedingt durch die Italiener, die in der Schweiz wohnten und italienisch sprachen. Viele leben noch heute in der Schweiz, aber sind integriert, zum Teil sprechen sie selber diese Sprache nicht mehr so korrekt.
Die Ära Berlusconi war fürs Italienische nicht förderlich.
Wahrscheinlich hat der Rückgang des Interesses an Italienisch auch mit der Globalisierung zu tun. Noch vor 20 Jahren war man mehr europazentriert. Nun ist alles globaler geworden. Es kommen Weltsprachen dazu, Englisch sowieso, aber auch Spanisch, Russisch und neu Chinesisch.
Welche Rolle spielt dabei auch die schwindende Bedeutung von Italien im kulturellen und im gesellschaftlichen Sinn?
Ich denke, Sie sprechen die Ära Berlusconi an. Die war fürs Image von Italien nicht förderlich und hat das Interesse am Italienisch in den Schulen nicht gefördert. Italien hat immer wieder solche schwierigen Phasen durchlebt. Trotzdem bleibt es ein Land mit grosser Kultur, mit kulturellen Vermächtnissen aus der Vergangenheit.
Nun haben wir die Situation, dass viele Italienisch-Lehrkräfte nicht mehr ihre vollen Pensen erfüllen können, weil die Nachfrage zu wenig gross ist. Wie wollen sich die Italienisch-Lehrer dagegen wehren?
Die Italienisch-Lehrerinnen und Lehrer aus der ganzen Schweiz haben sich in Lugano getroffen, um die Lage des Italienischen zu besprechen. Wir haben ganz konkret überlegt, was wir machen könnten, um das Italienische an den Schulen zu fördern. Ich bin zuversichtlich, dass es etwas bringen wird. Wir haben beschlossen, dass wir das Treffen in zwei Jahren wiederholen und auswerten, welche Mittel gefruchtet haben.
Welche Massnahmen haben Sie beschlossen?
Man sollte auf verschiedenen Ebenen kämpfen, sich in den Schulen immer wieder für die Bedeutung des Italienischen einsetzen. Es ist wichtig, dass auch Lektionen für kleine Gruppen bewilligt werden. Auch auf politischer Ebene kämpfen wir. Wir hoffen auf die Unterstützung vom Tessin her.
Kann man abschliessend sagen, dass andere Sprachen im Vordergrund stehen, zum Beispiel Englisch oder Spanisch, und dass man hier einfach gewisse Einbussen akzeptieren muss?
Wissen Sie, ich möchte mich nicht gegen das Englische oder Spanische aussprechen. Diese beiden Sprachen sind wichtig. Aber man muss immer auch die Realität hier in der Schweiz beachten. Wir leben in einem Land, das stolz ist darauf, dass es vier Landessprachen hat. Ich finde, dass man dafür auch etwas tun muss, dass dies nicht nur auf dem Papier, sondern auch eine Realität ist.
Spanisch und Englisch, vor allem Englisch, sind wichtige Sprachen. Aber wer zusätzlich Französisch oder Italienisch spricht, der erhöht auch die Chancen in unserem Land auf dem Arbeitsmarkt. Wir hegen grosse Beziehungen zu unserem südlichen Nachbarland, und diese Dinge darf man nicht ausser Acht lassen. Und ich bin nicht ganz sicher, ob sie mit Spanisch eher Kontakt mit jemandem haben als mit Französisch und Italienisch.
Mehrsprachigkeit ja, aber mit Bezug zu den Landessprachen
Muss es immer Englisch sein? Dieser Frage ging Radio SRF 4 News in einem Live-Talk an der Hochschule Luzern nach. Es diskutierten Pius Muff, Professor und Leiter der Bachelorausbildung in Betriebsökonomie, Anja Marbach, Studentin in Business Engineering Sustainable Energy Systems und Jessica Gygax vom Forum für Zweisprachigkeit Biel.
Dabei machte sich vor allem Jessica Gygax stark für das Erlernen einer zweiten Landessprache: «Studien ergaben, dass Arbeitnehmer, die eine zweite Landessprache gut beherrschen bis zu 15 Prozent mehr Lohn verdienen.» Die Hochschul-Studentin Anja Marbach hat sich zwar auch den deutschsprachigen Studiengang angesehen, sich schliesslich aber für den englischsprachigen entschieden, «da ich später einmal international tätig sein möchte».