Der Arbeitsmarkt von heute ist hochkomplex und ständig im Wandel. Studieren wird fast zur Pflicht. Doch selbst das ist noch längst keine Jobgarantie. Nur noch wenige Stellen sind ohne ein vorheriges Praktikum zu haben.
Niemand weiss das besser als Michael Agoras. «Ich kann Ihnen bestätigen, dass es Absolventen mit Praktika einfacher haben als Absolventen ohne Praktika.» Laut dem Schweizer Adecco-Chef gibt es derzeit einen regelrechten Boom an Praktika.
Grund sei vor allem die stetig wachsende Zahl an Studierenden. Denn die «müssen herausfinden, in welchem Wirtschaftszweig, in welchem Unternehmen sie später arbeiten möchten», so Agoras.
Dabei gelte die Regel: Je mehr Praktika, umso besser. Das zu viel Praktika kontraproduktiv wirken könnten, verweist der Adecco-Chef ins Reich der Fabel. «Umso breiter die Erfahrung desto genauer weiss der Student, was er später machen möchte. Eine andere Erfahrung haben wir bis dato noch nicht gemacht.»
Problemfall Geisteswissenschaftler
Besonders einfach haben es derzeit laut Agoras Jura-Studenten und Absolventen, die gern in der Chemie-, Pharma- oder Forschungsbranche arbeiten möchten. Auch angehende Ärzte könnten sich Hoffnung auf eine rasche Anstellung machen.
Nicht so gute Karten haben auch in der Schweiz die Geistes- und Sozialwissenschaftler. Sie hätten grosse Mühe, weil hier die beruflichen Perspektiven nicht so rosig seien, wie in anderen Sparten, weiss Agoras. «Das heisst konkret, dass solche Studierende entweder länger auf eine Anstellung warten müssen oder aber gleich ganz eine andere Fachrichtung einschlagen.»
Generell sind die Aussichten für Studierende in der Schweiz aber nach wie vor hervorragend. «Lediglich 5,8 Prozent aller Hochschulabgänger finden keine Stelle», so Michael Agoras. Fünf Jahre nach Abschluss liege die Quote noch einmal deutlich tiefer, bei etwa 2,3 Prozent.
Alter schützt vor Studium nicht
Das ganze Interview mit Michael Agoras
Überraschend fallen die Zahlen zu den sogenannten Ü30-Studenten aus: Bei ihnen liegt die Arbeitslosenquote nach einem erfolgreichen Abschluss bei lediglich 1,2 Prozent.
«Erfahrungen in der Berufswelt – egal ob durch ein Praktikum oder durch eine mehrjährige Arbeit im Job – sind der Schlüssel zum Erfolg», fasst Adecco-Chef Michael Agoras seine Erfahrungen zusammen.
Papier ist geduldig aber unpersönlich
Eine Sicht der Dinge, die auch Daniel Degen uneingeschränkt teilt. Im Rahmen einer von SRF 4 News ausgestrahlten Podiumsdiskussion sagte der Personalmanager des Möbelherstellers Vitra, «dass die Spezialisierung in sämtlichen Branchen extrem fortgeschritten ist». Das verlange einfach eine gewisse berufliche Erfahrung.
Wer diese nicht habe, der könne und solle das Praktikums als Schaufenster seiner eigenen Fähigkeiten nutzen. «Für die Unternehmen ist es einfacher, wenn man die Person bereits kennt.» Eine Bewerbung auf dem Papier sei hingegen zuweilen schwierig einzuschätzen, so Degen.
«Praktikanten haben durchaus etwas zu sagen»
Und was ist mit den alten Praktikanten-Klischees vom kaffeekochenden und kopierenden Studenten? Der stimme schon lange nicht mehr, meint Sabine Wehren. Laut der Anprechperson für Studenten beim Pharmakonzern Roche sind Praktika und deren Verlauf oft klar strukturiert.
«Die Inhalte bestehen bei uns aus 60 Prozent Projektmitarbeit und 40 Prozent, die zur freien Verfügung stehen.» In dieser Zeit könnten und sollten sich Praktikanten dann zum Beispiel auch mit anderen vernetzen und austauschen. «Denn auch Berufserfahrung haben sie durchaus auch etwas zu sagen und bringen oft eine neue Perspektive in die Unternehmen ein», weiss die Expertin.