Die Schweizer Energiepolitik wird jetzt pragmatisch. Nicht mehr das Jahr 2050 gilt als Planungshorizont, sondern 2035. Aber wie weit kann sich die Schweiz bis dann aus erneuerbaren Energien selbst versorgen?
Energieministerin Doris Leuthard wagt keine Prognose: «Ich bin leider nicht Göttin, nicht einmal Königin. Ich kann das nicht voraussehen. Ich bin gewohnt, das zu machen, was ich in etwas abschätzen kann.»
Abschätzen lasse sich die Zeit bis 2020. Das dazugehörige Massnahmenpaket, zu dem der Bundesrat heute die Botschaft verabschiedet hat, beinhaltet einige Änderungen. So sollen auch Naturschutzgebiete von nationaler Bedeutung kein Tabu mehr sein für die Energiegewinnung: «Wir brauchen gewisse Eingriffe in Schutzgebiete. Wir finden es richtig, dass man Rücksicht nimmt auf kleinere Gewässer und sie in Ruhe lässt.»
Subventionen werden gestrichen
Konkret heisst das: keine Subventionen mehr für kleine Wasserkraftwerke. Subventionsgeld gibt es auch nicht mehr für Strom aus Kehrichtverbrennungsanlagen. Die Zahl der Solaranlagen schliesslich, die von der kostendeckenden Einspeisevergütung profitieren können, bleibt weiter eingeschränkt.
Gleichzeitig steigen aber die Kosten, welche die Stromkunden für die Förderung der erneuerbaren Energien bezahlen müssen – auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde. Insgesamt beziffert der Bundesrat die Kosten für die Energiewende – wieder bis 2050 gerechnet – auf insgesamt gut 200 Milliarden Franken: «Umgerechnet pro Jahr ist das erträglich», sagt Leuthard. Zudem schaffe es Arbeitsplätze und sei daher «mehr einheimisch als importiert».
Der Branchenverband Swisscleantech begrüsst das sehr. Einziger Wermutstropfen: Der Bundesrat setzt mit seiner Energiestrategie keine fixen Laufzeiten für Atomkraftwerke. Das wäre für die Planung der Energiewirtschaft aber entscheidend, sagt Verbandspräsident Nick Beglinger.
Die Grünen wollen ihre Atomausstiegsinitiative, mit der sie fixe Laufzeiten fordern, deshalb nicht zurückziehen. Der Bundesrat hat die heutige Botschaft als Gegenvorschlag zu dieser Initiative konzipiert.
Freude daran, hat der Wirtschaftsverband Economiesuisse. Und nicht nur daran, sagt Geschäftsleitungsmitglied Kurt Lanz: «Sehr begrüssen können wir, dass man zurückkommt von allzu weit gegriffenen und ambitionierten Horizonten.»
Was kommt nach 2020?
Weniger ambitioniert oder eben pragmatischer ist der Bundesrat geworden. Was die Zeit nach 2020 angeht, bleibt die Energiepolitik aber noch ziemlich offen. Denn die jetzt präsentierten Massnahmen reichen für die Energiewende nicht aus.
Den Übergang von der heutigen Förderpolitik zu höheren Strom-, Benzin- oder Erdölpreisen schiebt der Bundesrat weiter vor sich her. Diese politisch heiklen Lenkungsabgaben will er frühestens nächstes Jahr wieder zum Thema machen.