Schweiz
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Er stand am Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses
Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld brachte 2007 den Stein ins Rollen, der die Schweizer Banken viel Geld und letztlich das Bankgeheimnis kosten sollte. Als Kronzeuge gestand der «Whistleblower» die Beihilfe zur Steuerhinterziehung und kassierte dafür über 100 Millionen Dollar.
Am 21. April 2015 trägt sich Historisches zu in der Schweizer Finanzplatzpolitik: Mit Ablauf der Vernehmlassung zum automatischen Informationsaustausch mit dem Ausland steht fest, dass es ausser von der SVP keinen grundsätzlichen Widerstand gegen die endgültige Aufgabe des Bankgeheimnisses mehr gibt. Selbst die Schweizerische Bankiervereinigung sowie die Verbände der Schweizerischen Privatbanken und der Kantonalbanken verlangen lediglich Detailanpassungen.
Entscheidenden Anteil an diesem Paradigmenwechsel hat Bradley Birkenfeld. Im Jahr 2006 informiert der «Whistleblower» das UBS-Management über die Verletzung bankinterner Regeln.
Wenig später überwirft er sich mit seinen Vorgesetzten und packt im April 2007 bei der US-Finanzbehörde IRS über die systematische Beihilfe zur Steuerhinterziehung aus.
Der Absolvent der renommierten Norwich University in Vermont gibt zu, einem milliardenschweren UBS-Kunden beim Steuerbetrug geholfen zu haben. Dafür drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. Um möglichst glimpflich davonzukommen, lässt er sich zum Kronzeugen gegen die Schweizer Banken machen. Er übergibt der Finanzbehörde UBS-interne Dokumente und Informationen zu deren Geschäftspraxis in den USA. Das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses ist eingeläutet.
104 Millionen US-Dollar und 30 Monate Gefängnis
Bradley Birkenfeld wird 2008 von einem US-Gericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt, nach 30 Monaten jedoch wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Als Kronzeuge kassiert er eine Belohnung von 104 Millionen US-Dollar.
Eine für die amerikanischen Behörden verschmerzbare Summe, kassieren sie doch im Rahmen eines Vergleiches mit der UBS vorerst 780 Millionen US-Dollar von der Schweizer Grossbank.
Viel gewichtiger als der finanzielle Vergleich und spätere Milliarden-Bussen für Schweizer Banken sind jedoch die Zugeständnisse, welche die Schweizer Politik in der Folge von Birkenfelds Enthüllungen machen muss. Schnell sind anfänglich kämpferische Töne als reines Wunschdenken entlarvt.
An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen!
Weil die USA der UBS nicht zuletzt aufgrund von Birkenfelds Enthüllungen mit einer Klage drohen, verfügt die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, vom Bundesrat mit dem Krisenmanagement beauftragt, die Herausgabe von über 250 UBS-Kundendaten. Ein bis dahin undenkbarer Tabubruch.
Später nimmt die Eidgenössische Steuerverwaltung im Rahmen einer Amtshilfeprüfung knapp 5000 Kundendossiers mutmasslicher US-Steuerbetrüger unter die Lupe. Auf Druck der OECD werden bei der Amtshilfe in Steuersachen deren Standards übernommen.
Schliesslich schliesst die Schweiz Abgeltungssteuer-Abkommen mit diversen Ländern. 2013 tritt das neue Steueramtshilfegesetz in Kraft.
Mit der grundsätzlichen Zustimmung der meisten Parteien zum automatischen Informationsaustausch ist das Bankgeheimnis für Ausländer im Frühling 2015 so gut wie abgeschafft. 2018 soll nach dem Zeitplan des Bundesrates der erste automatische Austausch erfolgen. Acht Jahre, nachdem Bradley Birkenfeld gegenüber der US-Finanzbehörde auspackte, sieht die Schweiz die Zukunft ihres Finanzplatzes in der «Weissgeldstrategie».
Steuerstreit Schweiz – USA: Die Chronologie
April 2007 | Der ehemalige UBS-Kundenberater Bradley Birkenfeld informierte 2007 die
US-Finanzbehörde IRS über die systematische Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei der UBS. Die Steueraffäre kommt ins Rollen. |
Juni 2008 | Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für UBS-Kunden Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Er wird zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. |
August 2009 | Nach monatelangem Tauziehen einigen sich die Schweiz und die USA auf einen Vergleich. Die USA erhalten 4450 UBS-Kundendaten. Die UBS zahlt zudem eine Busse von 780 Millionen Dollar. |
Juni 2010 | National- und Ständerat heissen den UBS-Vergleich in Form eines Staatsvertrages mit den USA gut. |
November 2010 | Nach Erhalt der meisten UBS-Kundendaten zieht die US-Steuerbehörde IRS ihre zivilrechtliche Klage gegen die UBS zurück. Sie will aber gegen weitere Banken in der Schweiz ermitteln. |
Februar 2011 | Die USA haben inzwischen neben der CS weitere Banken im Visier, darunter die HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär und die Bank Wegelin. Einer der Vorwürfe: Die Banken hätten Ex-UBS-Kunden angeworben und ihnen angeboten weiter nicht deklarierte Gelder zu verwalten. |
Dezember 2011 | Das US-Justizministerium verlangt von Schweizer Banken auch Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden. |
Januar 2012 | Der Bundesrat entscheidet, dass codierte Bankdaten ans US-Justizministerium geliefert werden dürfen. Den Schlüssel zur Decodierung sollen die USA im Rahmen von Aufsichtsamts- und Rechtshilfeverfahren erhalten – oder wenn eine globale Lösung im Steuerstreit vereinbart ist. |
Januar 2012 | Die Lage spitzt sich zu: Die Besitzer der Bank Wegelin verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Ein Grossteil der Bank führt die Raiffeisengruppe unter dem Namen Notenstein weiter. |
März 2012 | Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenden Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zu. |
April 2012 | Der Bundesrat erlaubt den Banken auch die Herausgabe von uncodierten Mitarbeiterdaten an die USA |
Dezember 2012 | Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des «Foreign Account Tax Compliance Act» (Fatca) auf voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandskonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können. |
Januar 2013 | Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Millionen Dollar. |
März 2013 | Auf ein präziser formuliertes Amtshilfegesuch der US-Steuerbehörde hin erlaubt das Bundesverwaltungsgericht die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA. |
Mai 2013 | Nach der UBS und der Credit Suisse sieht sich auch Julius Bär mit einer Gruppenanfrage konfrontiert. Die IRS reicht bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung ein Amtshilfegesuch gegen Kunden der Bank ein. |
Mai 2013 | Die «Globallösung» für alle Banken ist gestorben. Der Bundesrat legt ein dringliches Gesetz vor, das es den betroffenen Geldhäusern erlaubt, sich mit Datenlieferungen und Ablasszahlungen an die USA freizukaufen. |
Juni 2013 | Die «Lex USA» scheitert im Parlament am Widerstand von SVP, FDP und SP, welche rechtsstaatliche und andere Bedenken geltend machen. |
Juni 2013 | Der Ständerat heisst als erste Kammer mit dem Fatca-Abkommen den künftigen Informationsaustausch mit den USA gut. |
Juli 2013 | Nach dem Nein des Parlaments zur «Lex USA» legt der Bundesrat «Plan B» vor. Die Banken erhalten die Möglichkeit, beim Bund Einzelbewilligungen zu beantragen, um Daten an die US-Behörden auszuliefern. Diese Lösung wird auf den Artikel 271 des Strafgesetzbuches gestützt. |
Juli 2013 | Die Schweiz darf den USA Daten von Kunden der Credit Suisse liefern. Das Bundesgericht weist die Beschwerde von betroffenen Personen ab. Laut Gericht ist die von der IRS gestellte Gruppenanfrage rechtlich nicht zu beanstanden. |
September 2013
| Der Steuerstreit mit den USA ist faktisch beigelegt. Dafür genehmigt das Parlament einen nahezu automatischen Informationsaustausch.
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Oktober 2014
| Die 51 OECD-Staaten vereinbaren in Berlin, dass sie sich künftig gegenseitig automatisch über Konten ausländischer Bürger informieren. Damit steht das Schweizer Bankgeheimnis auch für Bürger dieser Staaten definitiv vor dem Aus.
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April 2015
| Das Vernehmlassungsverfahren zur Einführung des automatischen Informationsaustauschs endet mit der grundsätzlichen Zustimmung aller grossen Parteien ausser der SVP. Auch Bankiervereinigung sowie die Verbände der Schweizerischen Privatbanken und der Kantonalbanken verlangen lediglich Detailanpassungen. |