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Luftaufnahme der Baustelle des ITER.
Legende: Bei Cadarache (Südfrankreich) entsteht der Fusionsreaktor ITER. zvg

Schweiz EU will Geld für Nuklearforschung – trotz Atomausstieg

Die EU setzt die Schweiz unter Druck: Sie darf sich nur an den neuen Forschungsprogrammen der EU beteiligen, wenn sie massiv in die Nuklearforschung investiert – trotz beschlossenem Atomausstieg. Politiker sprechen von «Erpressung».

Forschung im Nuklearbereich mache für die Schweiz nur noch Sinn, wenn es um die Sicherheit oder Abfallentsorgung bestehender Atomkraftwerken gehe. Dies hält der Bundesrat in seinem Aktionsplan zur Energieforschung fest, den das Parlament in diesen Tagen behandelt. Die Erforschung neuer Technologien – auch im Bereich der Kernfusion – hingegen habe «keine Priorität».

Doch ausgerechnet für diesen Bereich wird die Schweiz in den nächsten sieben Jahren bis zu einer Viertelmilliarde Franken ausgeben müssen – auf Druck der EU. Denn Brüssel setzt im Rahmen des Euratom-Programms voll auf die Kernfusion: In Frankreich soll der internationale Versuchsreaktor ITER gebaut werden. Dieser sorgt seit Jahren wegen Budgetüberschreitungen für Schlagzeilen.

Die Schweiz, bestätigt Forschungsminister Johann Schneider-Ammann, müsse ITER und Euratom weiter mitbezahlen. Sonst dürfe sich unser Land auch nicht am nächsten Forschungsrahmenprogramm der EU beteiligen, das derzeit in Brüssel vorbereitet wird: «Man hat uns in Brüssel mehrfach klipp und klar gesagt: Ihr seid assoziiert mit dem Forschungsrahmenprogramm Nummer acht. Aber: Ihr seid das nur unter der Bedingung, wenn ihr am Euratom-Programm wie bisher mitbezahlt», sagt Schneider-Ammann gegenüber SRF.

Sonderbehandlung für die Schweiz

Fusionsreaktor

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Im ITER wird die Kern fusion erforscht: Jeweils zwei Wasserstoff-Atome sollen zu einem Helium-Atom verschmelzen, wie das auch in der Sonne geschieht. Dabei entsteht Energie. Im Gegensatz zur Kernspaltung in einem AKW – dort werden Uran- oder Plutonium-Atome gespalten – entsteht bei der Kernfusion viel weniger radioaktive Strahlung.

Diese Bedingung gilt nur für die Schweiz, nicht aber für andere Staaten ausserhalb der EU –  wie Norwegen, Israel oder die Türkei. Damit dränge sich grundsätzlich die Frage auf, «ob die Schweiz als einziges Land eine solche Behandlung akzeptiere». So steht es geschrieben in der bundesrätlichen Botschaft zum achten Forschungsrahmenprogramm der EU.

Die Antwort gibt sich die Landesregierung gleich selbst: Es bleibe gar keine andere Wahl. Negative Auswirkungen auf andere europapolitische Dossiers könnten sonst nicht ausgeschlossen werden. Und, betont Bundesrat Schneider-Ammann: Die Schweiz habe in den letzten Jahren immer deutlich mehr Mittel aus den EU-Forschungsprogrammen erhalten als sie nach Brüssel geschickt habe.

So gesehen könne er auch akzeptieren, dass Norwegen und Israel etwas attraktivere Vertragsbedingungen gegenüber der EU hätten als die Schweiz.

Parlamentarier wenig erfreut

Ganz anders sieht das der Präsident der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates, Andreas Aebi von der SVP: «Das sieht ein wenig nach Erpressung aus, und solche Erpressungen habe ich eigentlich gar nicht gerne», so Aebi gegenüber SRF. Er wolle dann schon noch wissen, warum das so sei.

Luftaufnahme der Grossbaustelle bei Cadarache.
Legende: Die Grossbaustelle bei Cadarache (Südfrankreich), wo ITER gebaut wird. zvg

Kritik kommt auch von Links – allerdings aus anderen Gründen. Eric Nussbaumer von der SP, Präsident der nationalrätlichen Energiekommission, findet es falsch, überhaupt noch Geld für die Erforschung der Kernfusion auszugeben.

Allerdings habe sich die Schweiz ihre missliche Lage selber eingebrockt: «Unser Land ist mehr und mehr isoliert.» Die Schweiz habe einen Weg eingeschlagen, der  dazu führe, dass Europa Unterschiede zwischen seinen Partnern zu machen beginne. Die Schweiz sei dabei in einer Sackgasse, «in der man bald nicht mehr wenden kann», so Nussbauer weiter.

Scheider-Ammann zeigt Verständnis für die EU

Bundesrat Schneider-Ammann hält entgegen, die Schweiz profitiere in grossem Ausmass von der Forschungszusammenarbeit mit der EU. Den Zwang, auch beim Forschungsprogramm Euratom weiter mitmachen zu müssen, empfinde er nicht als Erpressung: Die Schweiz habe das EU-Forschungsprogramm immer freiwillig mitgemacht. Die Schweiz würde sich selber bestrafen, wenn sie jetzt aussteigen würde. Er habe «irgendwo Verständnis» für den Druck, den die EU nun ausübe.

Ob das auch das Parlament so sieht, wird sich bei der Beratung des EU-Forschungsprogramms zeigen.

(snep)

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