Franz Steinegger, prägender FDP-Präsident zwischen 1989 und 2001, umreisst das Anforderungsprofil für den neuen Kopf an der Parteispitze: «Er braucht eine hohe Einsatzbereitschaft. Er muss kommunizieren können. Er muss einen eigenständigen Kurs garantieren und sollte vorausschauend agieren können.»
Eine Person aus der Deutschschweiz wäre von Vorteil: «Weil sehr viel vom Medienpool Zürich abhängt. Man muss dort zur Verfügung stehen und sich äussern können, ohne zu viel Aufwand betreiben zu müssen», so Steinegger.
Das Alter ist nicht das einzige Kriterium
Ähnlich klingt es bei einem Romand, dem alt Bundesrat Pascal Couchepin. Er sass von 1998 bis 2009 für die FDP im Bundesrat. «Es ist leichter eine Partei wie die FDP von der Deutschschweiz aus zu führen als einem anderen Teil des Landes», sagt er. Und idealerweise sollte die neue Parteispitze auch jünger sein.
Der abtretende Präsident Philipp Müller ist jetzt 63 Jahre alt – und er wünscht sich explizit einen Generationenwechsel. Für Steinegger ist das Alter allerdings nicht entscheidend. Andere Fähigkeiten zählen für ihn mehr: «Wenn es entsprechende Kandidatinnen oder Kandidaten hat, die einen Generationenwechsel garantieren, dann ist das sicher nicht falsch.» Seiner Ansicht nach ist das aber nicht das Hauptkriterium: «Es müssen auch die übrigen Kriterien erfüllt werden können.»
Auch in diesem Punkt pflichtet ihm Couchepin bei: «Jung sein ist nicht wichtig. Die Person soll jünger als Müller sein. Aber sie soll offen, intelligent und menschlich angenehm sein.» Personen, die dieses Anforderungsprofil erfüllten, gebe es in der Partei. Doch Namen will der alt Bundesrat nicht nennen. «Das ist nicht meine Rolle», sagt Couchepin.
Und wen sieht Steinegger als möglichen Nachfolger oder als mögliche Nachfolgerin? «Ich gehe davon aus, dass vor der Bekanntgabe des Rücktrittes Diskussionen stattgefunden haben. Wasserfallen wäre für mich ein durchaus valabler Kandidat.»
Wasserfallen will es sich noch überlegen
Christian Wasserfallen – seit der gestrigen Rücktrittsankündigung Müllers einer der meist genannten Kandidaten für eine Nachfolge. Er ist 34-jährig, Berner, seit 2007 im Nationalrat. Er selber will sich nun über die Weihnachtstage Zeit lassen. «Es ist so, dass ich mir jetzt einige Gedanken machen muss. Es ist für mich jetzt zu früh, um Schlüsse zu ziehen.»
Eine Aufgabe des neuen Parteipräsidenten oder der -präsidentin wird auch sein, mit den anderen Parteien zusammenzuarbeiten. Für Steinegger, der den Niedergang der FDP in den 90-er Jahren und parallel dazu den Aufstieg der SVP als Präsident hautnah miterlebt hat, rät zu folgendem Vorgehen: «Wichtig ist, eine selbständige Position. Wenn man die hat, kann man Mehrheiten suchen.»
Seit den Wahlen im Oktober ist die FDP in einer komfortableren Lage als auch schon. Zusammen mit der SVP liegt im Parlament eine Mehrheit in Griffnähe, zumindest bei gewissen politischen Dossiers. Beim SVP-Präsidenten Toni Brunner tönt es deshalb so: «Mein grösster Wunsch ist, dass es eine Persönlichkeit ist, die keine Berührungsängste hat oder Abneigung gegenüber der SVP, sondern eine wohlwollende Einstellung ohne grosse Vorurteile.»
Mit der SVP kooperieren reicht nicht
Eine enge Zusammenarbeit mit der SVP liegt also auf der Hand? «Nein», meint der FDP-Doyen Couchepin: «Man soll mit der SVP arbeiten, aber nicht nur mit der SVP. Denn die Probleme der Schweiz kann man nicht mit einer einzigen Partei, die nicht liberal ist, lösen.»
Bevor allerdings die neue Frau – oder der neue Mann – an der Spitze der FDP die Probleme der Schweiz angehen kann, muss sich die FDP nun zuerst einig werden, wer das sein soll. Bis Ende Februar können die Kantonalparteien und der Partei nahestehende Organisationen Kandidaturen einreichen. Die Wahl schliesslich erfolgt dann an der Delegiertenversammlung Mitte April.