Die Unzufriedenheit der angehenden Pflegefachkräfte belegt die Unia mit einer Umfrage, die sie bei 1100 Lehrlingen und Studenten in der Deutschschweiz durchgeführt hat.
Rebecca Scheck beispielsweise hat als Pflegerin im Spital gearbeitet und ist nun in Ausbildung an der Höheren Fachschule. Das grösste Problem für die junge Frau im Spital war, dass sie zu wenig Zeit für die Patienten hatte: «Die Patienten wurden morgens um acht Uhr bestellt. Ich hatte jedoch noch drei andere Patienten, die ich zwischen sieben und acht Uhr versorgen sollte.» Auf diese Weise seien die Neueintritte schon von Beginn an schlecht auf sie zu sprechen gewesen.
Wir können nicht als Fliessbandarbeiter tätig sein.
Und so könne kein Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und der Pflegerin entstehen. Ausserdem habe sie zu wenig Anerkennung für ihren Beruf erfahren. Schuld an diesen Missständen sei der Kostendruck im Gesundheitswesen. «Man möchte in der Pflege Profit machen, sie soll rentabel sein – das funktioniert in der Praxis nicht. Wenn man eine umfassende und qualitativ gute Pflege möchte, können wir nicht als Fliessbandarbeiter tätig sein», so Rebecca Scheck.
Die Erfahrungen von Scheck decken sich mit den Resultaten der Unia-Umfrage: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie ihren Beruf nicht so ausüben könne, wie sie ihn gelernt habe. Und fast die Hälfte sagt, sie werde in den nächsten zehn Jahren vermutlich den Beruf wechseln. Für Adrian Durtschi von der Unia ist dies ein Warnruf: «Wir haben einen grossen Bedarf an Pflegefachkräften. Wenn viele Personen, die ausgebildet sind, den Beruf wieder verlassen, erhöht sich dieser Fachkräftemangel und das gibt Probleme.»
80 Prozent der Absolventen bleiben als zukünftige Mitarbeitende bei uns – das spricht für sich.
Eine andere Sicht vertritt Odette Häfeli. Sie leitet den Bereich Bildung am Universitätsspital Basel: »Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich erlebe unsere Auszubildenden als sehr motiviert und zufrieden. 80 Prozent der aktuellen Absolventen bleiben als zukünftige Mitarbeitende bei uns – das spricht für sich.»
Ins gleiche Horn stösst Bernhard Wegmüller, Direktor des Spitalverbands H+. Er nehme keine Unzufriedenheit bei den Pflegerinnen und Pflegern wahr. Im Gegenteil: «Fachpersonen im Gesundheitswesen sind äusserst zufrieden mit der Arbeit, die sie leisten und wahrnehmen können. Es ist eine strenge Arbeit, aber die Zufriedenheit bei den Pflegenden ist sehr gross.»
Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern: Es braucht vor allem mehr Personal und mehr Zeit.
Gemäss einer Auswertung der Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit bleiben die Pflegerinnen und Pfleger im Durchschnitt zehn bis zwölf Jahre in ihrem Beruf. Das sei ein ähnlicher Wert wie in anderen Berufen. Die Gewerkschaft Unia hingegen ist besorgt darüber, dass so viele den Pflegeberuf an den Nagel hängen wollen. Adrian Durtschi sieht deshalb Handlungsbedarf: «Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern: Es braucht vor allem mehr Personal und es braucht mehr Zeit.»
Mehr Zeit für jeden einzelnen Patienten, den die Pfleger betreuen müssen. Doch das kostet. Und das Gesundheitswesen ächzt bereits jetzt unter steigenden Kosten. Die Forderungen der Unia dürften es also schwer haben.