Ein Fluglotse muss sich ab Dienstag vor Gericht verantworten. Er hatte 2011 am Flughafen Zürich zwei Flugzeugen auf sich kreuzenden Pisten fast gleichzeitig die Starterlaubnis gegeben. Fast wäre es dabei zu einer Kollision gekommen.
Staatsanwalt Thomas Leins fordert eine Verurteilung des Fluglotsen wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs. Er beantragt eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 100 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Verteidiger Peter Ettler wird auf Freispruch plädieren, wie er sagte. Er rechne allerdings nicht damit, dass der Fall am Dienstag abgeschlossen werde. Ettler stellte in Aussicht, er werde einen Gutachter der Staatsanwaltschaft befragen. Wie das Gericht daraufhin weiter vorgehen werde, sei offen.
Nach dem Vorfall hatte das Flugsicherungsunternehmen Skyguide eine interne Untersuchung durchgeführt. Auch die Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle Sust nahm die Angelegenheit unter die Lupe. Sie ortete mehrere ursächliche Faktoren. Aufgrund der Befunde wurden verschiedene Verbesserungen am Flughafen umgesetzt.
Auf Kreuzung zugerast
Zum Zwischenfall gekommen war es am Mittag des 15. März 2011 bei einer Pistenkreuzung. Beteiligt waren zwei Airbusse der Swiss. In jenem mit dem Kennzeichen SWR 1326 waren 127 Passagiere und acht Besatzungsmitglieder, in jenem mit dem Kennzeichen SWR 202W 120 Fluggäste und sieben Besatzungsmitglieder.
Es ging – immer laut Anklageschrift – um Sekunden. Der Fluglotse erteilte der SWR 1326 die Freigabe zum Start auf Piste 16. Keine Minute später gab er der SWR 202W die Starterlaubnis auf Piste 28. Die zwei Pisten kreuzen sich.
Beide Maschinen beschleunigten. Die SWR 202W auf rund 300, die SWR 1326 auf etwa 250 Kilometer pro Stunde. Plötzlich bemerkten die Piloten der SWR 202W, dass von rechts eine andere Maschine auf die noch rund 550 Meter entfernte Kreuzung zuraste. Etwa zwei Sekunden später kam dann auch der Startabbruchbefehl des Fluglotsen.
Während die SWR 202W im Sicherheitsbereich der Piste 16 zum Stillstand kam und dann zu einem Standplatz rollte, erhob sich die SWR 1326 in die Luft und flog wie vorgesehen zu ihrer Destination. Die Piloten hatten von der Beinahe-Kollision gar nichts bemerkt.
Nicht aufmerksam genug
Laut Anklageschrift wäre es dem Fluglotsen «bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit ohne weiteres möglich» gewesen, die Gefährdung vorauszusehen. Er habe aber nicht aufmerksam genug die Flugbewegungen beobachtet, sondern «sich dem Studium des Flugprogramms des Navigationsmessflugs gewidmet».
Die Vermessungsflüge, die zur Zeit des Zwischenfalls im Gange waren, bezeichnete die Sust in ihrem Untersuchungsbericht als wesentlichen Faktor für den Vorfall. Sie hätten in einer Zeit mit höchstem Verkehrsaufkommen die Komplexität des Betriebs zusätzlich erhöht. Als weitere Faktoren ortete die Sust das damalige Arbeitskonzept und das Kontrollwarnsystem.
Für den beschuldigten Fluglotsen war es nicht der erste Zwischenfall. Schon am 31. Juli 2008 war er an einem schweren Vorfall an derselben Pistenkreuzung beteiligt, wie die Sust in ihrer Untersuchung festhielt.