- Ab Mitte 2018 soll im Kanton Thurgau Französisch erst ab der 7. Klasse gelehrt werden
- Die Gesamtzahl Stunden an Französischunterricht für die Schüler bleibt gleich
- Trotzdem verstösst das Vorgehen gegen den «Sprachenkompromiss»
- Ein Eingreifen von Bildungsminister Berset wird wahrscheinlich
Die Thurgauer Regierung hat den neuen Lehrplan der Volksschule in die Vernehmlassung geschickt. Dieser sieht vor, dass die Kinder ab Mitte 2018 nicht mehr in der Primarschule Französisch lernen, sondern erst in der Oberstufe. Vergangenes Jahr hatte das Kantonsparlament beschlossen, den Französischunterricht auf Primarschulstufe zu streichen.
Gesamtzahl Lektionen bleibt gleich
Der Kanton Thurgau weicht damit vom interkantonalen Lehrplan 21 ab. Entsprechend hat die Regierung nun den für Thurgau geltenden Lehrplan angepasst. Weil der bisherige Französischunterricht in der 5. und 6. Klasse gestrichen wird, müssen auch die Stundentafeln geändert werden: Die wöchentlichen vier Lektionen aus der Primarschule werden auf die Sekundarstufe ab der 7. Klasse verschoben. Das ergibt für die Sekundarschülerinnen und -schüler künftig insgesamt 14 Jahreslektionen Französisch. Die Gesamtzahl an Französischstunden während der obligatorischen Schulzeit bleibt damit gleich wie bisher.
«Verstoss gegen Sprachenkompromiss»
Der Präsident der kantonalen Erziehungsdirektoren, Christoph Eymann, ärgert sich über den Thurgauer Entscheid. Es sei letztlich ein Verstoss gegen die Verfassung, die das Schweizer Volk 2006 angenommen habe, sagte er zu SRF News.
Eymann sieht in dem Entscheid zudem einen «Verstoss gegen die Abmachung von 2004». Damals sei im sogenannten Sprachenkompromiss vereinbart worden, dass bereits in der Unterstufe eine Fremdsprache gelehrt werde. Thurgau verlasse nun den vereinbarten Weg.
Thurgau ist nicht der einzige Kanton, der den Fremdsprachenunterreicht in Eigenregie regelt oder künftig regeln will. Diese Entwicklung macht dem Präsidenten des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz Sorgen. «Wenn wir so weitermachen, haben wir wieder einen Flickenteppich», stellt Beat Zemp fest. Und das sei eigentlich genau das, was das Schweizer Volk nicht wolle. Tatsächlich hat das Volk 2006 einer gewissen Harmonisierung der Schulen in der Schweiz zugestimmt. Dies, um zum Beispiel ein Umzug von einem Kanton in den anderen zu vereinfachen.
Stoppt Berset den Kanton Thurgau?
Lehrer-Präsident Zemp und EDK-Präsident Eymann gehen davon aus, dass sich als nächstes der Bund einmischen wird.
Tatsächlich hat Innenminister Alain Berset schon mehrfach gewarnt, dass er die Abschaffung von Französisch auf der Primarstufe aus Sorge um den nationalen Zusammenhalt nicht tolerieren werde. Vermutlich wird es Herbst, bis er sich zu der Sache äussern wird, wie es beim Innendepartement auf Anfrage hiess. Dann wird der Thurgauer Lehrplan definitiv beschlossen.
Unterschiedliche Einführung
Laut Angaben der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren haben, ein Jahr nach Vorliegen des Lehrplans 21, bisher 18 der 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone die Einführung von entsprechenden neuen Lehrplänen beschlossen. Luzern, Appenzell-Ausserrhoden, Nidwalden, St. Gallen, Thurgau, Obwalden, Glarus, Schwyz und Uri wollen ihre neuen Lehrpläne im Sommer 2017 einführen. Ein Jahr später folgen Bern, Graubünden, Schaffhausen, Solothurn und Zürich. Freiburg und Zug warten bis 2019.
Widerstand gegen Lehrplan 21
Bereits seit Sommer 2015 wird in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft im Kindergarten und in der Primarschule mit je einem neuen kantonalen Lehrplan auf der Basis des Lehrplans 21 gearbeitet. Noch nicht entschieden ist die Einführung neuer Lehrpläne im Aargau, in Appenzell-Innerrhoden und im Wallis. In 13 Kantonen regte sich Widerstand gegen die Einführung eines einheitlichen Lehrplans. Unter anderem in Zürich, Bern, Aargau und Thurgau wurden entsprechende Volksinitiativen eingereicht.