Willi Haag ist St. Galler FDP-Regierungsrat. Zusammen mit Politikern anderer Parteien befindet er sich seit Anfang Woche in Japan. Die Gruppe besucht dort die Region um das beim Tsunami 2011 zerstörte AKW Fukushima.
Was Haag bisher sah, hat Spuren bei ihm hinterlassen: «Es ist tragisch», beschreibt er die Eindrücke gegenüber SRF. Seine Erkenntnis: Ein AKW-GAU ist kein gewöhnlicher Unfall, sondern eine Havarie mit sehr grossen Konsequenzen. «Da sind die Schlüsse zu ziehen – auch im Rahmen der schweizerischen Energiepolitik», sagt der Freisinnige.
Sicherheit verbessern, Energiewende beschleunigen
Konkret heisst das für Haag: Atomkraft hat in der Schweiz vorläufig zwar weiterhin einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig müsse damit aber sehr sorgfältig umgegangen und die erhöhten Sicherheitsanforderungen an AKW durchgesetzt werden. Die erneuerbaren Energien müssten verstärkt vorangetrieben und die Anstrengungen zum Energiesparen forciert werden.
Das Tempo hin zum Atomausstieg müsse erhöht werden, fordert Haag. «Ich bin klar für eine gute Energieversorgung», ergänzt der Regierungsrat. Gleichzeitig seien aber die Risiken der Atomkraft nicht zu unterschätzen. «Wir haben das zu berücksichtigen, das sind wird unserer Bevölkerung schuldig.»
Verstrahltes Land, soweit das Auge reicht
Auch die grüne Nationalrätin Yvonne Gilli zeigt sich von der Situation im Havarie-Gebiet beeindruckt. Sie habe das ganze Ausmass, die Dimension der radioaktiv verstrahlten Landstriche, erst vor Ort realisiert.
Gilli beschreibt, wie sie während Stunden mit dem Auto über verstrahltes Land gefahren seien. Dort habe man gesehen, wie die obersten fünf Zentimeter Erde kilometerweit abgetragen werde – teilweise mit Schaufeln von Hand. Statt Heuballen sehe man auf den Feldern riesige Ballen-Lager radioaktiv verstrahlter Erde, von der man nicht wisse, wohin man damit solle. «Und daneben ist immer noch so viel Land – soweit das Auge reicht – und man weiss, diese Erde ist auch verstrahlt.»
Eindrücklich sei auch zu sehen, wie die Menschen heute mit der Katastrophe umgehen. So habe sie eine Stadt mit 300'000 Einwohnern in der Provinz Fukushima besucht, die nie evakuiert worden sei. Trotzdem seien die Menschen dort einer grossen Strahlenbelastung ausgesetzt. «Wir müssen davon ausgehen, dass Kinder, die heute geboren und ihr Leben dort verbringen werden, höheren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind.» Diesen Realitäten sei man sich nicht so bewusst, wenn man an Fukushima denke.
Politikern die Folgen eines GAUs verdeutlichen
Gilli sieht auch Konsequenzen des Japan-Besuchs für ihre politische Arbeit. So will sie etwa den Landwirten in der Schweiz die Konsequenzen eines Atom-Unfalls verdeutlichen. Denn in der Schweiz werde das Restrisiko immer noch als etwas Theoretisches betrachtet. Durch den Besuch der Parlamentarier-Gruppe könnten die Folgen eines GAUs nun auch den anderen Politikern näher gebracht und veranschaulicht werden.
Und: «Ich glaube schon, dass dies dazu beitragen wird, den Entschluss zu festigen, aus der Atomenergie auszusteigen. Die grosse Diskussion wird dann eher sein: Wie viel Zeit brauchen wir dafür?», zeigt sich die grüne Nationalrätin überzeugt.