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Schweiz Gewerkschaften fürchten den Europäischen Gerichtshof

Beurteilt der Europäische Gerichtshof EuGH künftig Streitfälle zwischen der EU und der Schweiz, werden die heutigen flankierenden Massnahmen nicht zu halten sein. Das befürchten der ehemalige Co-Präsident der Unia, Vasco Pedrina und die Europarechts-Professorin Christa Tobler in der «Rundschau».

Ein Unia-Gewerkschafter mit Schirm und Fahne.
Legende: Werden mit der EU-Rechtsprechung des EuGH die Gewerkschaften im Regen stehen gelassen. Keystone

Dies könnte das Ende für die Personenfreizügigkeit bedeuten, warnt die Unia. Ohne den Schutz durch die flankierenden Massnahmen könne die gewerkschaftsorientierte Linke den bisherigen Vertrag mit der EU nicht mehr mittragen.

Vasco Pedrina, ehemaliger Co-Präsident der Gewerkschaft Unia und langjähriger Schweizer Vertreter beim Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) spricht öffentlich Klartext: Wenn künftig die EU-Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerschutz auch in der Schweiz gelte, könnten nicht mehr flächendeckend «Schweizer Löhne» bezahlt werden und es werde «Tür und Tor geöffnet für Lohndumping auf breiter Ebene», sagt Vasco Pedrina im Interview mit der «Rundschau.»

EuGH-Urteile empören Gewerkschaften

Pedrina stützt seine Befürchtungen auf die sogenannte LAVAL-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von 2007/2008. In vier aufsehen erregenden Urteilen werteten die Luxemburger Richter die Dienstleistungsfreiheit jeweils höher als den Arbeitnehmerschutz.

Akut in Gefahr ist für Pedrina die sogenannte Schweizer 8-Tage-Regel (eine Voranmeldepflicht für ausländische Dienstleister wie Zimmerleute oder Maler) und die Kautionspflicht (Geldleistung zur Sicherung der Zahlung von Schweizer Löhnen und Sozialversicherungsleistungen). Bereits 2008 habe die EU mit dem Verweis auf die LAVAL-Urteile die flankierenden Massnahmen der Schweiz als illegal bezeichnet.

Zum Beweis zeigt Pedrina eine Liste mit vierzig Forderungen aus der EU, die «Flankierenden» abzubauen. «Damals konnten wir Nein sagen und wir haben es durchgesetzt». Dies wäre künftig nicht mehr möglich, ist Pedrina überzeugt.

Dass der Bundesrat bei den anstehenden Verhandlungen mit der EU zur Sicherung der flankierenden Massnahmen «rote Linien» definiert hat, beruhigt Pedrina nicht. In der «Rundschau» kontert dagegen Henri Gétaz, Chef der Direktion für Europäische Angelegenheiten (DEA) im EDA. Aussenminister Didier Burkhalter werde diese Schutzmassnahmen in den Verhandlungen verteidigen.

8-Tage Regel ist «unverhältnismässig»

Christa Tobler, Europarechts-Professorin in Basel und Leiden (NL), kommt in einem kürzlich erschienenen Aufsatz zu einem ähnlichen Schluss wie Gewerkschafter Pedrina: Die flankierenden Massnahmen in ihrer heutigen Form werden kaum zu halten sein. Insbesondere die Schweizer 8-Tage-Regel werde fallen, wenn diese der EuGH in einem Gutachten zu beurteilen haben wird.

Ausländische Anbieter müssen in der Schweiz ihre Arbeiter acht Tage im Voraus anmelden, damit die Behörden die Einhaltung aller Schutz-Bestimmungen des einheimischen Arbeitsmarktes kontrollieren können. «Die 8-Tage-Regel ist unverhältnismässig, weil die Frist zu lang ist und sie als Diskriminierung betrachtet werden könnte», sagt Christa Tobler gegenüber der «Rundschau».

Das Ende der Freizügigkeit

Nico Lutz, Chef Sektion Bau der Unia, macht klar: Wenn die Schweiz künftig keine «wirksamen Massnahmen» gegen Lohndumping mehr ergreifen könne, dann «ist die Unterstützung der Linken zur Personenfreizügigkeit in Frage gestellt und damit die Personenfreizügigkeit an sich!»

Vasco Pedrina bringt die heikle Lage für die Gewerkschaften durch die künftige Rolle des EuGH auf den Punkt. «Wir stecken effektiv im Dilemma. Einerseits sind wir für den Schutz der Schweizer Löhne andererseits sind wir für eine Öffnung der Schweiz gegenüber Europa.» Es liege jetzt an den Politikern einen «kreativen Weg» zu finden.

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