Januar 1933: Adolf Hitler ergreift in Deutschland die Macht. In der Folge schliesst die Schweiz ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge und politisch Verfolgte. Doch weiterhin gelangen Hunderte von Menschen ohne gültiges Visum über die Grenze.
Der Grund: Entlang der Schweizer Grenze tauchten schon bald nach Hitlers Machtantritt erste Fluchthelfer auf.
Ihr bekanntester Vertreter war der St.Galler Polizeikommandant Paul Grüninger. Seine Geschichte feiert als Spielfilm an den Solothurner Filmfestspielen Premiere. «Grundsätzlich befürworte ich Spielfilme, welchen einem breiten Publikum Geschichte näher bringen», sagt Gregor Spuhler, Leiter des Archivs für Zeitgeschichte der ETH Zürich. Von 1997 bis 2000 war er Mitglied der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg.
«Grüninger war als Polizeikommandant der einzige Fluchthelfer mit solch einem bedeutenden Rang innerhalb der öffentlichen Verwaltung», sagt Spuhler. Vergleichbar sei er allenfalls mit dem Diplomaten Carl Lutz, der in Ungarn Zehntausende von Juden rettete.
Dementsprechend gross Grüningers Einfluss: Die Rede ist von mehreren hundert geretteten Flüchtenden durch sein Wirken.
Nur die Erwischten sind bekannt
«Neben Grüninger gab es natürlich viele andere, die Fluchthilfe leisteten», sagt der Flüchtlingspolitik-Experte. Laut Spuhler waren mehrere hundert Schweizer organisiert und regelmässig Fluchthelfer. Dazu kamen mehrere tausend Personen, die einmalig Fluchthilfe leisteten.
Bekannt sind diejenigen, die erwischt wurden. 137 davon sind inzwischen rehabilitiert worden.
Nach dem seit 2004 geltenden Bundesgesetz über die Aufhebung von Strafurteilen gegen Flüchtlingshelfer wurden alle Personen rehabilitiert, die zur Zeit des Nationalsozialismus aus humanitären Gründen gegen die Gesetze verstossen haben.
Gesuche konnten vier Jahre lang von Verurteilten, ihren Angehörigen oder von entsprechenden schweizerischen Menschenrechts-Organisationen gestellt werden. «Interessant ist die hohe Anzahl an ausländischen Bewohnern der Schweiz bei den Rehabilitierten», fügt Spuhler an.
Kein klares Profil – zwei Hauptmotive
Vom Polizeikommandanten bis zum Arbeitslosen: Ein eigentliches Profil eines Fluchthelfers lässt sich nicht erstellen. Gemäss Spuhler «stammen sie aus allen sozialen Schichten».
Bei den Motiven teilt der Archivleiter die Fluchthelfer in zwei Kategorien ein. «Die einen waren sogenannten Passeure». Eigentliche Schmuggler, meist Personen aus armen Verhältnissen, Fischer zum Beispiel. Sie erhofften sich so einen Nebenverdienst. Das Entgelt sei aber eher bescheiden ausgefallen, sagt Spuhler. Erwischte dagegen büssten mit bis zu einem halben Monatslohn eines Durchschnitts-Arbeiters oder mehreren Dutzend Tagen Haft.
«Die anderen handelten aus Solidarität gegenüber verfolgten Gruppen, denen sie sich zugehörig fühlten», so Spuhler weiter: Juden, Katholiken, Protestanten, Kommunisten, Sozialdemokraten.
Diesen Gruppen entsprechend seien auch die Fluchthelferringe organisiert gewesen. Sie halfen bei der komplizierten Einschleusung ihrer verfolgten Gesinnungsgenossen. Nicht zuletzt zählt Spuhler auch diejenigen Menschen zu dieser Kategorie, die aus rein humanitären Beweggründen gegen geltendes Gesetz verstiessen.
(SRF 4 News, 18 Uhr)