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Schweiz Im Parlament sind die Meinungen zu Pensionskassen-Bezügen gemacht

Die Kosten für Ergänzungsleistungen (EL) für Rentner, die mit der AHV oder IV alleine nicht über die Runden kommen, steigen laufend. Viele benötigen EL, weil sie vor dem Rentenalter Kapital aus ihrer Pensionskasse bereits bezogen haben. Beim Verbot des Vorbezugs gehen die Meinungen weit auseinander.

Immer mehr Menschen in der Schweiz sind auf Sozialhilfe angewiesen. Insbesondere die ausbezahlten Ergänzungsleistungen (EL) haben stark zugenommen. Die EL kommt Rentnern zugute, die mit der AHV- oder IV-Rente allein nicht über die Runden kommen. Wurden 2007 3,2 Milliarden Franken EL ausgezahlt, waren es 2012 bereits 4,4 Milliarden Franken.

Die Menschen benötigen solche Zusatz-Renten, weil sie bereits vor dem Rentenalter Kapital aus ihrer Pensionskasse, der zweiten Säule, bezogen haben. Das sagt der Bundesrat und will solche Kapitalbezüge künftig verbieten.

Kapital-Vorbezug als Armutsfalle?

Es gibt viele Gründe, vor dem Rentenalter Kapital aus der Pensionskasse zu beziehen. Drohen deshalb aber tatsächlich im Alter die Armutsfalle und der Gang aufs Sozialamt?

«Bei den Ausgleichskassen haben sich immer mehr Menschen für den Bezug von Ergänzungsleistungen angemeldet, weil sie vorher Kapital aus der Pensionskassen bezogen haben», sagt auch Andreas Dummermuth, Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen. Damit werde der Vorsorgeauftrag der zweiten Säule nicht mehr wahrgenommen. Wenn nämlich alle drei Säulen der Vorsorge tragen, habe auch der Mittelstand genug Geld im Alter. Wenn aber die zweite Säule wegfalle, müsse der Steuerzahler einspringen.

Kritik an der Bevormundung des Bürgers

Das sieht der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP ganz anders. Es gebe keine nationalen Zahlen, die belegen, dass ein früherer Kapitalbezug Rentner später finanziell in die Bredouille bringe. Ein Verbot mache keinen Sinn, es sei vielmehr ein politisches Ablenkungsmanöver.

Hanspeter Konrad, Geschäftsführer des ASIP gibt zwar zu, dass es einzelne Fälle gibt, bedauert aber, dass damit nun ein genereller Zusammenhang zwischen Kapitalvorbezug und dem Bezug von EL-Geldern hergestellt werde. «Damit würden Tausende Versicherte bestraft und auch bevormundet. Es wird ihnen unterstellt, sie könnten mit dem Kapitalbezug nicht sorgfältig umgehen. Hier wird von anderen Problemen bei den EL abgelenkt. Im Fokus stehen vor allem die Finanzierung von Heim- und Pflegekosten.»

«Vorbezug von Geldern ist ein Desaster»

Auch wenn die zahlenmässigen Beweise noch nicht vorliegen; die Ausgleichskassen, die solche Ergänzungsleistungen an Rentner auszahlen, werden laut eigenen Angaben jedes Jahr mehr beansprucht.

Für Andreas Dummermuth von den Ausgleichskassen ist diese Zunahme der EL-Bezüge sicher mit der demografischen Entwicklung verbunden, mit mehr betagten Personen und auch höheren Pflegekosten. «Aber rund 23 Prozent der EL-Anmeldungen sind mit dem Vorbezug von Pensionskassengeldern verbunden. Das ist sozialpolitisch sinnlos und finanzpolitisch ein Desaster.»

Im Parlament sind die Fronten klar

Zuletzt wird ein geplantes Verbot von Pensionskassen-Vorbezügen im Parlament entschieden. Dort sind es vor allem die Mitte-Parteien, die die Idee unterstützen. Schon im vergangenen September hat sich der Nationalrat mit dem Thema befasst. Mit klarer Mehrheit überwies er einen Vorstoss von Nationalrätin Ruth Humbel (CVP/AG), der den Bundesrat aufforderte, den Bezug von Pensionskassengeldern einzuschränken. Die CVP steht zusammen mit Mitte-Links weiterhin hinter der Idee.

Für Motionärin Ruth Humbel Näf (CVP/AG) geht es um die Sicherung des obligatorischen Teils (bis 84‘240 Franken Einkommen) von steuerprivilegierten Sparguthaben, die von Arbeitgebern mitfinanziert werden. Sie sollen für die Sicherheit im Alter sorgen und diese Zweckbestimmung müsse eingehalten werden. «Dieser obligatorische Teil soll für das Alter zur Verfügung stehen. Wenn aber im Alter das Kapital bezogen und ausgegeben ist, müssen Menschen von EL und Sozialhilfe, also Steuergeldern leben, und das geht nicht.»

Gleicher Meinung ist auch Nationalrat Lorenz Hess (BDP/BE): «Übergeordnetes Ziel muss sein, dass niemand bei der Fürsorge landen soll, weil das Vorsorgekapital aufgebraucht ist. Bei Vorbezügen können Fehlanreize bestehen, sei es Scheinselbständigkeit oder wenn man sich im Immobilienboom wegen tiefen Zinsen verschuldet.»

Unterstützung kommt, wenn auch etwas zurückhaltender, von Grünen und SP. Nationalrätin Silvia Schenker (SP/BS) unterstützt das Vorgehen, aber nur wenn erwiesen ist, dass «es tatsächlich einen Zusammenhang gibt zwischen Vorbezügen für Wohneigentum und späteren Bezügen von EL».

Eigenverantwortung liegt beim Bürger

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SVP und FDP, die sich im Nationalrat gegen eine Beschränkung der Bezüge wehren werden, bleiben wohl in der Minderheit. Für Nationalrat Thomas de Courten (SVP/BL) ist der Vorschlag des Bundesrats «ein Angriff auf die Eigenverantwortung der Bürger. Er trifft vor allem junge Familien oder junge Leute, die selbstständig werden wollen».

Der Tessiner FDP-Nationalrat Ignazio Cassis stellt sich gegen ein totales Verbot. Der Bürger soll frei entscheiden können und dafür auch die Verantwortung übernehmen. «Was ich in die zweite Säule bezahlt habe, das ist mein Geld. Mein eigenes Kapital darf ich zurücknehmen, aber ich muss auch Verantwortung übernehmen, mit dem Geld korrekt umzugehen. Es geht nicht, das Geld zu verschwenden und dann von der Gemeinschaftssolidarität zu leben.»

Noch ist völlig offen, wann Sozialminister Alain Berset mit seinem konkreten Vorschlag ins Parlament kommt. Aber die Meinungen sind gemacht.

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