Immer mehr 20- bis 29-Jährige wohnen in der Schweiz noch bei ihren Eltern. Das zeigen Zahlen, die das Bundesamt für Statistik (BFS) «10vor10» zur Verfügung gestellt hat. In den vergangenen Jahren stieg der Anteil jährlich um zweieinhalb Prozent und lag 2013 bei 47 Prozent.
Das heisst: Fast jeder zweite lebt in seinen Zwanzigern noch bei Mama und Papa. Mehrere Studien bestätigen den steilen Trend nach oben. Das habe verschiedene Gründe, sagt der Familientherapeut Jürgen Feigel.
Alle Schichten betroffen
Einerseits habe sich mit den Jahren der Erziehungsstil verändert, so der Familientherapeut. Da dieser Stil immer weniger autoritär sei, würde es den Jungen immer einfacher fallen, noch ein paar Jahre mehr zu Hause zu bleiben. Die Betroffenen, aber auch die Gesellschaft, nehmen das «Nesthocken» deswegen auch immer lockerer wahr.
Andrerseits machten junge Erwachsene immer mehr und immer längere Ausbildungen. Unter dem Spardruck, der überall in der Schweiz herrsche, vermutet Feigel, blieben die jungen Erwachsenen lieber noch ein paar Jahre länger bei den Eltern, damit sie finanziell abgesichert sind.
Das Phänomen erstrecke sich entgegen allen Klischees, die über Südländer vorherrschen, über die ganze Schweizer Gesellschaft, sagt Feigel. Es gebe auch keine Schichten, in denen die Jungen häufiger zu Hause wohnen blieben.
Je nach Gegend anders
Interessant: Die Zahlen des BFS zeigen, dass regionale Unterschiede bestehen. Demnach wohnten 2013 im Kanton Basel-Stadt anteilsmässig die wenigsten 20- bis 29-Jährigen bei ihren Eltern, nämlich nur 33,6 Prozent. Währenddessen war der Anteil im Kanton Uri am grössten. Dort waren es 60,8 Prozent.
So gut es die Eltern auch mit ihren Kindern meinen, das Hotel Mama birgt auch Risiken. So sei es der Entwicklung eines Menschen nicht dienlich, wenn die Eltern diesen weiterhin als Kind behandeln. Der Auszug gehöre zu einem wichtigen Schritt in der Entwicklung eines jungen Erwachsenen, so Feigel. Findet dieser nicht statt, dann könne das zu Aggressionen, Frustration und Konflikten führen. Es sei wichtig, dass Eltern ihre Kinder langsam auf einen Auszug vorbereiten, indem sie mit ihnen das Gespräch suchen, sagt der Familientherapeut.