Bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) der Stadt Bern führt der Präsident eine Strichliste. Ganze 17 Strichlein sind es bis jetzt, wie er sagt. Bei 17 Fällen will zumeist der Vater gegen den Willen der Mutter das gemeinsame Sorgerecht für das Kind beantragen. Keinen riesigen Ansturm melden auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden der Städte Zürich und Basel.
Er habe mit einem grösseren Run gerechnet, sagt der Leiter der Kesb von Basel-Stadt, Peter Moser: «Mittlerweile haben wir aber festgestellt, dass die Realität anders ist, und dass der Bedarf einfach nicht so gross ist.» Offenbar wollten viele Väter ganz einfach keine alte Wunden aufreissen. Und zum Teil scheinen die Väter ihr neues Recht auch gar nicht zu wollen: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Väter sich davor scheuen, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen.» Solange sie ihre Kinder regelmässig an Wochenenden sehen dürften, seien manche getrennte oder geschiedene Väter froh, nicht zusätzliche Verantwortung tragen zu müssen.
Deadline bis Ende Juni 2015
Der Präsident der Organisation Verantwortungsvoll erziehender Väter und Mütter, Oliver Hunziker, hat für das neue Sorgerecht gekämpft. Er wehrt sich. Er habe sich immer wieder anhören müssen, dass Väter sich gar nicht für ihre Kinder interessieren würden. «Das ist zum einen richtig: Es gibt solche Männer, es gibt auch solche Frauen. Das waren aber nie die Männer, die wir vertreten haben.»
Entscheidend seien jene Fälle, in denen die Väter mehr Verantwortung wollten – auch wenn dies bisher nur wenige sind, meint Hunziker. Noch bis Ende Juni 2015 können getrennte oder geschiedene Väter rückwirkend die gemeinsame Sorge beantragen. Bis dann wird sich zeigen, ob die Strichliste des Berner Kesb-Präsidenten noch anschwillt – oder ob sie so mager bleibt wie bisher.