SRF News: Ihre Befragung zeigt: Schweizer fühlen sich von Korruption wenig betroffen. Unsere Politiker gelten insgesamt als integer. Kann man sagen: alles gut?
Martin Hilti: Es stimmt, wir schneiden im internationalen Vergleich gut ab. Aber man muss auch bedenken: Bei dieser Befragung hat man auch Staaten wie Russland, die Ukraine oder Serbien miteinbezogen – da wäre es höchst bedenklich, wenn die Schweiz nicht gut abschneiden würde. Und betrachten wir die Ergebnisse genauer, müssen wir doch feststellen: Auch bei uns sind immerhin knapp 40 Prozent der Meinung, die Regierung und Spitzenbeamte seien in Korruption verwickelt. Für die Parlamentarier bewegen sich diese Werte gar um gut 50 Prozent. Auch wir haben also noch zu tun und können einiges verbessern.
Auch auffällig: Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, vermögende Einzelpersonen hätten zu grossen Einfluss auf die Regierungstätigkeit. Können sie mehr darüber sagen, was den Leuten dieses Gefühl gibt?
Empirisch untersucht haben wir diese Frage nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die Bevölkerung weiss, dass wir in der Schweiz keine gesetzlichen Bestimmungen haben zu Politikfinanzierung und Lobbying. Ebenso ist den Menschen sicher bewusst, dass Geld ein Machtfaktor ist und deshalb grossen Einfluss haben kann. Die befragten Personen sehen denn auch mehrheitlich den Bedarf nach einer entsprechenden Regelung.
Lobbying und Parteienfinanzierung müssten also eingeschränkt werden?
Es ist wichtig festzuhalten: Lobbying und Politikfinanzierung sind nicht per se etwas Schlechtes. Beides gehört zu unserer Demokratie und ist legitim. Gerade beim Lobbying geht es ja auch um Wissenstransfer: Lobbyisten müssen ihre Ansichten und ihr Fachwissen als Experten in den Politikprozess einbringen können. Was aber ebenso wichtig wäre, ist mehr Transparenz.
Weil zwischen Interessenvertretern eben nicht nur Argumente ausgetauscht werden, sondern eben auch Geld?
Und Geld eben eine besondere Rolle spielt: Vermögende können eine ganze Partei mitfinanzieren oder einen einzelnen Politiker und sich so viel Einfluss verschaffen. Es ist naheliegend, dass die Beschenkten in der Folge nicht mehr ganz neutral sind. Darum muss die Öffentlichkeit erfahren, wer von wem wieviel Geld entgegennimmt.
Das Gespräch führte Adrian Ackermann