Bei der Schweinegrippe 2009 bunkerten viele Länder Millionen von Tamiflu-Packungen. Das Medikament war für viele Behörden und Gesundheitsorganisationen erste Wahl im Kampf gegen die Folgen einer Grippepandemie. Roche machte Milliardenumsätze.
Jahrelang bemühte sich das unabhängige Expertennetzwerk Cochrane Collaboration vergeblich um Roche-eigene Studienresultate. Nun konnten die Forscher erstmals sämtliche Daten analysieren.
Eignung im Pandemiefall angezweifelt
Und sie fanden ihren ursprünglichen Verdacht bestätigt: Tamiflu verkürze zwar die Grippe um einen halben Tag und könne, präventiv eingenommen, Grippesymptome verhindern. Doch verhindere es weder Komplikationen wie Lungenentzündungen noch vermindere es Spitaleinweisungen.
Dafür warte das Medikament mit bisher vernachlässigten Nebenwirkungen auf, sagt Studienmitautor Peter Doshi: «Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen sind häufig, seltener treten aber auch Depressionen und Nierenschäden auf.»
Vor diesem Hintergrund ruft die Cochrane Collaboration und mit ihr die Fachzeitschrift «British Medical Journal» die Behörden weltweit auf, in Bezug auf die Tamiflu-Lager für einen Pandemiefall über die Bücher zu gehen.
BAG: Zu früh für abschliessende Beurteilung
«Nur nichts überstürzen», sagt dazu Daniel Koch, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): Es sei zu früh, diese Cochrane-Analyse als letzten Schluss zu betrachten. Man müsse nun wirklich die Details analysieren.
Zumal die Herstellerfirma Roche den Schlussfolgerungen der Cochrane Collaboration in einer Stellungnahme «entschieden» widerspricht. Der Konzern betont, dass Tamiflu ein wirksames Arzneimittel zur Behandlung und Prävention der Grippe sei.
Nach dem Ringen um die Offenlegung der Daten folgt jetzt also jenes um die Interpretation. Und das dürfte noch eine Weile weitergehen.
brut;amka