Neue Wende im Fall der Kunstwerke des verstorbenen deutschen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt: Der Münchner hat seine millionenteure Sammlung zu Lebzeiten dem Kunstmuseum Bern vererbt.
Die Nachricht vom letzten Willen Gurlitts habe «wie ein Blitz aus heiterem Himmel» eingeschlagen, heisst es in der Medienmitteilung des Museums. Denn zu keiner Zeit hätten irgendwelche Beziehungen zwischen Gurlitt und dem Kunstmuseum Bern bestanden.
Mit all den Picassos, Noldes und Chagalls kommt die Berner Institution nicht nur zu einem riesigen Kunstschatz, sondern auch zu einem nicht minder riesigen Haufen Problemen.
Hunderte Werke der Sammlung stehen im Verdacht, Nazi-Raubkunst zu sein. Der erst vor wenigen Tagen im Alter von 81 Jahren verstorbene Cornelius Gurlitt war der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler, Hildebrand Gurlitt. Nach dem Tod des Vaters hütete Cornelius Gurlitt den Kunstschatz eifersüchtig und hielt ihn geheim.
Einigung zwischen Gurlitt und Behörden
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung im Februar 2012 stiessen die Ermittler auf über tausend Meisterwerke, von denen viele seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen gegolten hatten. Die Behörden beschlagnahmten die Bilder wegen Verdachts auf Vermögens- und Steuerdelikte. Von den Werken könnten mehrere hundert in die Kategorie Nazi-Raubkunst fallen.
Erst vor rund einem Monat hatten Gurlitt und die deutschen Behörden eine Einigung gefunden. Gurlitt hatte zugesichert, die millionenschwere Sammlung von Experten untersuchen zu lassen. Die unter Nazi-Raubkunstverdacht stehenden Gemälde werde er gegebenenfalls zurückgeben, willigte er ein. Die Behörden gaben die Werke daraufhin wieder frei.
Wenn sich nun herausstellen würde, dass sich unter den Gemälden Raubkunst befindet, so müsste auch das Kunstmuseum Bern diese Werke den rechtmässigen Besitzern zurückgeben.
Die Wut Gurlitts
Gurlitt selber sollte die Werke nie mehr sehen. Er sorgte jedoch vor seinem Tod noch dafür, die Bilder an eine Stiftung in der Schweiz zu vermachen, dem Kunstmuseum Bern. Warum er die Bilder ausgerechnet in einem Schweizer Museum platzierte, darüber lässt sich nur spekulieren.
SRF-Korrespondent Caspar Selg vermutet Empörung: «Er hat selber gesagt, man habe ihm das weggenommen, was sein Leben ausgemacht habe. Und zwar mit einer juristisch mehr als zweifelhaften Begründung wurden die Bilder damals beschlagnahmt.»
Gurlitt war zivilrechtlich der rechtmässige Eigentümer der Gemälde. «Die Untersuchung gegen ihn empfand Gurlitt als Zumutung, als Behördenwillkür. Und das dürfte sein Motiv gewesen sein, die Sammlung ins Ausland zu geben – also Wut über die deutschen Behörden», so Caspar Selg.
Bayern reagiert
Das bayerische Kunstministerium will die Sammlung des verstorbenen Sammlers auf ihre Bedeutung für das deutsche Kulturgut prüfen und entsprechende Werke auch in eine Liste aufnehmen.
Bei einer Ausfuhr der Sammlung in die Schweiz könnte das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung zum Tragen kommen. Das deutsche Gesetz besagt, dass all jene Kunstwerke, die im «Verzeichnis national wertvolles Kulturgut» aufgelistet sind, bei einer Ausfuhr ins Ausland eine amtliche Genehmigung benötigen.
Über die Aufnahme des Kulturgutes in das Verzeichnis entscheiden die Bundesländer. Als wichtiges Kriterium gilt dabei, dass die Kunstwerke bei einer dauerhaften Ausführung aus Deutschland einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würden.
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