Schweizer Bauern wollen anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen Gelegenheit geben, einer Arbeit nachzugehen, und gleichzeitig ihren Mitarbeiterbedarf decken. Bauernverband und Bund haben ein Pilotprojekt gestartet. Problemlos ist die Mitarbeit aber nicht.
Zurzeit machen zehn Betriebe im Projekt mit. Auf diesen Höfen arbeiten bereits Flüchtlinge, oder sie werden ihre Tätigkeit im Lauf des Jahres aufnehmen. Der Schweizer Bauernverband und das Staatssekretariat für Migration (SEM) stellten das Projekt auf einem Gemüseanbaubetrieb in Füllinsdorf (BL) vor.
Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag
Im ersten Monat erhalten die arbeitenden Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenommenen 2300 Franken brutto als Lohn. Vom zweiten Monat an bezahlen die Bauern den Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag. In den meisten Kantonen sind das laut Mitteilung 3200 Franken.
Die Betriebe erhalten für ihren administrativen Aufwand im Zusammenhang mit der Auswertung des Projekts 200 Franken im Monat. Weitere 200 Franken werden den Bauern als pauschale Entschädigung ausbezahlt, wenn die Arbeitskräfte auf dem Betrieb wohnen und die Bauernfamilie sie verpflegt.
Ziel des auf drei Jahre angelegten Pilotprojekts ist es, herauszufinden, was es braucht, damit die Beschäftigung von Flüchtlingen auf Bauernhöfen ein Erfolg wird – sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Angestellten. Nicht zuletzt soll die Beschäftigung von Flüchtlingen die öffentliche Hand entlasten.
Problemlos ist die Mitarbeit von Flüchtlingen auf Bauernbetrieben nicht: Nehmen sie die Arbeit auf, fallen sofort alle Leistungen vom Staat weg, wie der Betriebsleiter des Gemüseanbaubetriebs ausführte. Er beschäftigt seit Jahren Flüchtlinge.
Die Arbeitskräfte müssen mit ihrem Lohn unter anderem für Unterkunft und Essen aufkommen. Alle Stellen bei Bund, Kantonen und Gemeinden müssten deshalb zusammenspannen. Und: «Es muss finanziell interessanter sein, zu arbeiten als nicht zu arbeiten.»
Zusätzliches Engagement für Bauern
Den Bauern forderten die Arbeitskräfte zusätzliches Engagement ab, so der Gemüsebauer. Sie müssten Geduld, Verständnis für andere Kulturen und den Willen zur Integration aufbringen. Nicht jeder Betrieb eigne sich für die Mitarbeit von Flüchtlingen.
Hintergrund des Projekts ist die am 9. Februar 2014 angenommene Zuwanderungsinitiative der SVP. In der Schweizer Landwirtschaft arbeiten jedes Jahr 25'000 bis 35'000 Personen aus dem Ausland, weil sich für die Arbeit auf Bauernbetrieben kaum Schweizer finden, wie der Bauernverband festhielt.
Laut der Mitteilung findet nur rund jede dritte vorläufig aufgenommene oder als Flüchtling anerkannte Person in den ersten Jahren in der Schweiz eine Arbeit. Mangelnde Sprachkenntnisse, keine Ausbildung, die fehlende Anerkennung eines Diploms aus dem Herkunftsland oder Vorurteile der Arbeitgeber sind Gründe dafür.
«Wir haben die Betriebe sehr sorgfältig ausgewählt»
Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes: «Wir wussten nach der angenommenen Zuwanderungs-Initiative, dass diese Herausforderung auf uns zukommt. Jetzt muss das Projekt den Praxistest bestehen. Bisher hatten wir viele Arbeiter etwa aus Polen und Portugal, die teils aus landwirtschafsnahen Betrieben oder direkt aus der Landwirtschaft kamen. Jetzt müssen wir klären, wie die körperliche Leistungsfähigkeit der Flüchtlinge, aber auch ihre grundsätzliche Bereitschaft ist, auf einem Landwirtschaftsbetrieb zu arbeiten. Wir werden dann aufgrund detaillierter Berichte entscheiden können, ob und aus welchen Ländern Leute eingesetzt werden können. Wir haben auch besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass auch traumatisierte Flüchtlinge eine gute Aufnahme finden. Wir haben die Betriebe, die für das Projekt vorgesehen sind, entsprechend sorgfältig ausgewählt – auch hinsichtlich der Sozialkompetenz der Leiter und Bauernfamilien.»