Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) will die Masseneinwanderungsinitiative mit einem Inländervorrang umsetzen. Das hat sie mit 16 zu 9 Stimmen beschlossen, wie sie mitteilte.
Kompromisslösung
Kommissionspräsident Heinz Brand (SVP/GR) sprach vor den Medien von einem Kompromiss unter verschiedenen Antragsstellern. Dieser sei mehrheitsfähig geworden. Die SPK wählte eine schwache Form des Inländervorrangs.
Konkret besteht der vorgeschlagene Inländervorrang aus drei Schritten:
- Der Bundesrat trifft Massnahmen zur besseren Ausschöpfung des inländischen Potentials. Insbesondere jene Arbeitskräfte, die in der Schweiz bereits eine Aufenthaltsbewilligung besitzen, sollen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Zahl der erwerbslosen Ausländer soll auf diese Weise reduziert werden.
- Werden vom Bundesrat festgelegte Schwellenwerte überschritten, kann eine obligatorische Stellenmeldepflicht für Arbeitgeber eingerichtet werden, bevor eine freie Stelle besetzt wird. Demnach müssen die regionalen Arbeitsvermittlungszentren zuerst über die offenen Stellen informiert werden.
- Erzielen diese beide Massnahmen nicht die gewünschte Wirkung, kann der Bundesrat bei schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen geeignete Abhilfemassnahmen treffen, die dem gemischten Ausschuss vorgelegt werden müssen. Dieser muss die Massnahmen gutheissen, sofern sie nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar sind. Der gemischte Ausschuss besteht aus Vertretern der Schweiz und der EU.
Die SPK will mit ihrem Vorschlag die bilateralen Verträge mit der EU nicht gefährden. Von Beginn weg sei klar gewesen, dass die Initiative nicht wortgetreu umgesetzt werden könne, sagte Kommissionsvizepräsident und Mehrheitsvertreter Kurt Fluri (FDP/SO). «Insbesondere wenn man das Asylwesen einbeziehen müsste, wie es die Initiative verlangt, oder die Grenzgänger, so könnte man kaum mehr von einer arbeitsmarktgesteuerten Immigration sprechen.»
Bundesrat soll keine Höchstzahlen beschliessen können
Die SPK weicht mit ihren Anträgen an den Nationalrat stark von den Vorschlägen des Bundesrats ab: Dieser hat für den Fall, dass mit der EU keine Einigung zu Stande kommt, eine Schutzklausel vorgeschlagen. Bei Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes würde die Zuwanderung damit zahlenmässig begrenzt.
Insbesondere sieht die SPK davon ab, dass der Bundesrat vom Freizügigkeitsabkommen abweichende Massnahmen unilateral beschliessen kann. Allfällige Höchstzahlen oder Kontingente könnten demnach nur mit Einverständnis des gemischten Ausschusses beschlossen werden.
Die Probleme der Zuwanderung werden mit diesem Gesetz ganz sicher nicht gelöst.
Der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz, Vertreter der Minderheit der SPK, begrüsst den ersten Schritt des Inländervorrangs, kritisiert jedoch, dieser hätte schon längst umgesetzt werden müssen – unabhängig von der Zuwanderungsinitiative. Beim zweiten Schritt stört sich Rutz an der «kann»-Fomulierung.
Die Medienkonferenz
Beim dritten Schritt kritisiert Rutz, dass die möglichen Massnahmen völlig offen seien – die im Initiativtext vorgesehenen Höchstzahlen oder Kontingenten seien nicht erwähnt. Rutz spricht zudem von einem «Softie-Paragraphen»: Darin stehe, diese Massnahmen seien auf das Mindestmass zu beschränken und sollten das Freizügigkeitsabkommen möglichst nicht gefährden. Zudem sei eine Zustimmung von Brüssel nötig.
«Mit so einer Vorlage ist keine eigenständige Steuerung der Zuwanderung möglich», schliesst Gregor Rutz. Auch die Rechtssicherheit sei erheblich in Frage gestellt. «Was gilt in unserem Land? Sind Volksabstimmungen noch gültig, oder steht internationales Recht im Vordergrund? Die Probleme der Zuwanderung werden mit diesem Gesetz ganz sicher nicht gelöst.»
Der Nationalrat diskutiert in der zweiten Woche der Herbstsession über die Vorlage.